LGBT
in der Jugendliteratur

von Theresa Mürmann und  Julian Hübecker

Alljährlich wird im Juni der Pride Month gefeiert, um die Vielfalt unserer Gesellschaft hervorzuheben. Weltweit erheben Schwule, Lesben, Transgender, Bisexuelle und Menschen anderer sexueller Orientierungen ihre Stimme für Toleranz und stärken so die Gemeinschaft. Denn noch immer ist unter anderem Homosexualität in vielen Ländern unter Strafe verboten. Deutschland gehört zu den liberalsten europäischen Ländern, wenngleich sich beispielsweise die Ehe unter gleichgeschlechtlichen Partnern erst 2017 etablierte.

Vor allem für Jugendliche ist es wichtig, sich in ihrer noch entwickelnden Sexualität gleichgestellt zu fühlen. Eine liberale Gesellschaft ist ein wichtiges Fundament, um solche Unsicherheiten nicht in Angst umschlagen zu lassen. „Schwul“ als Schimpfwort ist noch immer gern genutzt, Bisexuelle haben sich „nur noch nicht entschieden“ und lesbische Frauen „brauchen einfach nur einen richtigen Mann“ – solche Vorurteile und geistigen Ergüsse fördern die Angst, abgelehnt zu werden, und den unbedingten Willen, „normal“ zu sein.

Geschichten mit homosexuellen Held*innen können dabei helfen, sich zu identifizieren und Vertraute zu finden. Sie vermitteln ein Stück Normalität und Selbstakzeptanz. Vor allem machen sie aber ganz deutlich: Sich außerhalb der Heterosexualität wiederzufinden, bedeutet nicht, falsch geraten oder krank zu sein. Bevor also in die LGBT-Welt der Jugendbücher eingetaucht werden soll, muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden: Bei Fragen, Unsicherheiten oder sogar akuten Ängsten gibt es zahlreiche Anlaufstellen, die helfen können. Bitte nutzt diese Möglichkeiten, wenn ihr sie braucht. Links findet ihr am Ende dieses Beitrags.

Was bedeutet LGBT?

Vielleicht seid ihr hier und da schon einmal über die Abkürzung LGBT gestolpert. Doch wofür steht das? LGBT ist eine Abkürzung aus dem Englischen und steht für: Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender (im Deutschen: lesbisch, schwul, bisexuell und transgender). Es ist eine Sammelbezeichnung für Personen, die nicht heterosexuell sind, oder auch Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht der einfachen Unterscheidung männlich/weiblich entspricht. Häufig wird die Abkürzung LGBT auch erweitert: LGBTQ+ bezieht beispielsweise noch das Wort „Queer“ mit ein und das „Plus“ macht klar: Es gibt noch viel mehr (daher soll im Folgenden auch diese Abkürzung genutzt werden). „Queer“ wird meist als Oberbegriff für alle gebraucht, die eben nicht den traditionellen heterosexuellen Rollenmustern unserer Gesellschaft entsprechen.

LGBTQ+ ist schon lange kein Randthema mehr in der Jugendliteratur, sondern ein zentraler Aspekt zahlreicher Neuerscheinungen. Und das ist so wichtig, da die Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Geschlecht sowie den ersten sexuellen Erfahrungen in der Pubertät anfangen. Es ist also ein Thema, das die Jugendlichen in ihrer Lebenswirklichkeit abholt. Dabei geht es in erster Linie darum, den Weg zu sich selbst, zum eigenen Körper und zur Liebe anderen Menschen gegenüber zu finden. Dabei ist es vollkommen egal, ob ich mich in einen Mann oder eine Frau verliebe. Viel wichtiger ist es, seine eigene Gefühlswelt und Sexualität nicht zu verstecken oder sich selbst als „unnormal“ zu sehen.

Erste Anlaufstelle sind da Ratgeber zum Thema Pubertät und Sexualität. Nicht nur bekannt für seinen Youtube-Kanal, sondern auch für sein gleichnamiges Buch jungsfragen ist Ben Scholz. Auf lockere, unnachahmliche Art klärt er zum Thema Pubertät auf, hilft aber auch bei Outing-Fragen und stellt sexuelle Diversität vor. Auch andere Bücher, wie „Schamlos schön“ (von Nina Brochmann, Dressler), das sich auf Mädchen und junge Fragen konzentriert, können erste Einblicke liefern und helfen, Fragen zu klären. Einen fokussierten Rahmen bieten solche Ratgeber, die sich voll auf das Thema LGBTQ+ konzentrieren. Zu nennen wäre hier „How to be Gay“ (Juno Dawson, Fischer), das einen geradezu an die Hand nimmt und die ganze kunterbunte Vielfalt kennenlernen lässt.

Gleichzeitig eröffnet die LGBTQ+-Jugendliteratur einen Einblick in die Gefühlswelt der Protagonist*innen, die nicht selten mit Diskriminierung, Ausgrenzung, Ablehnung oder Hass zu kämpfen haben. Julius Thesing führt in You don’t look gay vor Augen, wie tief Homophobie in unserem alltäglichen Leben verankert ist. Vermeintlich harmlose Sprüche wie „Warum macht ihr so einen Wirbel um eure Sexualität?“ bis hin zu offen gezeigter Ablehnung werden unter die Lupe genommen. Es zeigt, dass Diskriminierung nicht erst bei offensiven verbalen Angriffen anfängt, sondern bereits in unbedarften Meinungsäußerungen und undurchdachten Kommentaren. Das Buch bietet die Möglichkeit eines Perspektivwechsels: Wie würde ich mich fühlen, wenn jemand so etwas zu mir sagt? Berührend sind nicht zuletzt die Passagen des Textes, in denen der Autor von seinen persönlichen Erfahrungen berichtet.

Die volle Gayness in Jugendbüchern

Natürlich ist vor allem das Thema „Coming Out“ zentral in LGBT-Romanen. Hierbei geht es um die damit verbundenen Hürden, Ängste sowie Reaktionen. Der Roman The Prom von Saundra Mitchell erzählt die Geschichte von Emma und Alyssa. Die beiden leben in einer Kleinstadt in Indiana, deren Einwohner mehrheitlich tiefreligiös sind – und sie sind ein Paar. Sie sorgen sich um die Reaktionen ihrer Familien auf ihre Liebe. Als Emma sich vor ihren Eltern outet, wird sie von diesen verstoßen. Aus Angst, ihre Mutter könnte dasselbe tun, verheimlicht Alyssa ihre Beziehung vor ihr. Und so kommt es, dass im Rahmen eines Schulballs Emmas Homosexualität bekannt wird, ihre Liebe zu Alyssa jedoch weiterhin geheim bleibt. Auf Emma bricht eine Welle an Diskriminierung und Ablehnung herein, während sich Alyssa weiterhin bedeckt hält und schweigt. Es ist eine unterhaltsame und mit viel Witz geschriebene Geschichte über ein so wichtiges Thema.

Auch andere Bücher stellen lesbische oder bisexuelle Frauen in den Vordergrund. Während Love, Simon mittlerweile zum Jugendbuchklassiker mit einem schwulen Protagonisten avanciert ist, handelt Ein Happy End ist erst der Anfang von Simons bisexueller Freundin Leah, die nach außen zwar tough wirkt, aber dennoch sehr unsicher ist; besonders als sie sich in Abby verliebt – ausgerechnet jene Abby, die fester Teil ihres Freundeskreises ist. Also muss sie sich mit ihrer eigenen Sexualität auseinander setzen.

Eines der bisher wenigen Jugendbücher, das sich mit dem Thema Transsexualität auseinandersetzt, ist Birthday - Eine Liebesgeschichte der amerikanischen Autorin Meredith Russo. Es erzählt die Geschichte zweier bester Freunde, Morgan und Eric, deren Beziehung zueinander sich über die Jahre verändert. Während der Pubertät beginnt Morgan, sich in seinem eigenen Körper nicht mehr wohlzufühlen, und hat sehr damit zu kämpfen. Und auch Eric muss sich sexuell erst einmal orientieren; was für ihn ebenfalls mit verwirrenden Gefühlen verbunden ist. Der Roman führt vor Augen, wie aufwühlend und belastend das Gefühl sein kann, wenn man sich in seinem eigenen Körper nicht zuhause fühlt. Als wäre der Weg zu sich selbst nicht schon Aufgabe genug, kommen auch hier die so häufigen Ausgrenzungen von außen zur Sprache: Homophobie, Mobbing und Schikane. Eine Besonderheit an diesem Jugendbuch ist die Tatsache, dass die Autorin ebenfalls Transgender ist und der Geschichte damit eine enorme Authentizität verleiht. Ein weiteres Buch ist „A New Season. My London Dream“ (Marnie Schaefers, Ravensburger), in dem sich Transmann Vincent in Tracey verliebt. Doch diese weiß nicht, dass Vincent noch in einem Frauenkörper steckt. Dieses Geheimnis droht schnell zwischen den beiden zu stehen, weckt aber auch neue Erfahrungen.

Bücher mit schwulen Protagonisten sind da schon häufiger. In Was ist mit uns begegnen sich Arthur und Ben in New York und vergucken sich schnell ineinander. Doch während Ben bereits einen festen Freund hatte, ist Arthur noch sehr unerfahren und daher unsicher. Irgendwie müssen sie es schaffen, einander zu vertrauen, dass ihre noch junge Beziehung eine Chance hat. Schon etwas älter ist „Die Mitte der Welt“ (Andreas Steinhöfel, Carlsen), durch die Verfilmung aus 2016 jedoch wieder aktueller geworden und mit Jannik Schürmann und Louis Hofmann fantastisch umgesetzt. Auch hier spielt die klassische Chemie zwischen dem schüchternen Jungen und dem attraktiven Typen von Nebenan, die jedoch irgendwie immer wieder funktioniert.

Was im Grunde aber mit all den Büchern vermittelt werden soll, ist, dass die verschiedenen sexuellen Orientierungen normaler Bestandteil des menschlichen Seins sind. Insbesondere The Music of What Happens von Bill Konigsberg ist ein wunderbares Beispiel von LGBTQ+-Jugendliteratur, in der das LGBTQ+-Thema zwar eine Rolle, aber eben nur eine Nebenrolle spielt. Vielmehr geht es hier um die Unsicherheiten und psychischen Probleme der beiden Protagonisten, Jordan und Max, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie entwickeln Gefühle füreinander, doch trägt jeder sein eigenes Bündel an schwierigen Themen mit sich herum, die es zu bewältigen gilt. Eine berührende Geschichte, die belastend und schön zugleich ist – denn auch die Liebe kommt nicht zu kurz.

Etwas aus der Reihe dieser Auflistung fällt das Buch „Rowan & Ash. Ein Labyrinth aus Schatten und Magie“ (von Christian Handel, Ueberreuter), denn hier haben wir es mit einem Fantasybuch mit schwulen Protagonisten zu tun. Schon seit seiner Kindheit ist Rowan mit der Kronprinzessin von Iriann verlobt. Ihre Verbindung und Hochzeit ist jedoch arrangiert und soll Rowans Familie wieder zur Macht verhelfen. Dabei hegt Rowan für jemand anderen Gefühle: Er ist in den Königssohn Ash verliebt. Das Buch ist eine erfrischende Abwechslung zu den sonst doch sehr starren und traditionellen Mann/Frau-Mustern der Jugend-Fantasyliteratur. Mittlerweile schließen sich viele weitere Romane mit Fantasy-Hintergrund an und präsentieren diverse Figuren: von der bisexuellen Walküre der „Skulduggery“-Reihe (Derek Landy, Loewe) bis hin zum schwulen Jude aus der The Age of Darkness-Trilogie von Katy Rose Pool.

All diese Bücher und viele weitere machen eines klar: Sexualität ist nicht nur Schwarz-Weiß, sondern bunt und wunderbar. Wer in seiner Sexualität unsicher ist, Beratung braucht oder einfach nicht weiter weiß, der findet unter anderem hier Hilfe:

- interventionen.dissens.de/materialien/organisationen-anlaufstellen
- rosastrippe.net/beratung
- lsvd.de/de

Fazit

Die hier vorgestellten Jugendbücher sind definitiv nur eine Auswahl an Romanen, die sich mit den unterschiedlichen Facetten von LGBTQ+-Themen auseinandersetzen. Die sexuelle Orientierung während der Pubertät, die körperliche Selbstwahrnehmung und die manchmal verwirrende Gefühlswelt spielen eine zentrale Rolle in der Jugendliteratur. Zwar gibt es auch hier Lücken (wie z.B. zum Thema „Transgender“), die noch mehr gefüllt werden müssen, doch finden sich in der bereits erschienenen Jugendliteratur schon jetzt zahlreiche Bücher, die neben der privaten Lektüre zuhause auf der Couch sicherlich auch für den Schulunterricht denkbar wären.

"LGBT in der Jugendliteratur" von Theresa Mürmann und  Julian Hübecker
Titelmotiv "Regenbogen-Fahne": istock.com/ nito100

Bild "Paar": istock.com/ beavera

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