Pete Johnson

08.2020 Lisa Reim im Gespräch mit Pete Johnson - Autor von " Wie man 13 wird und die Welt rettet".

Anfangs habe ich meinen Schülern die Kapitel laut vorgelesen. Sie waren knallharte Kritiker. Ihre Hauptbeschwerde war, dass ich zu sehr versuchte, wie ein Teenager zu klingen.

Jugendbuch-Couch: Als Lehrer haben Sie angefangen, Kinderbücher zu schreiben, weil Sie mit den gängigen Veröffentlichungen unzufrieden waren. Was genau hat Sie gestört?

Pete Johnson: Ich hatte schon vor meiner Lehrerlaufbahn versucht, meine Geschichten an den Mann zu bringen – ohne Erfolg. Immer hieß es, sie seien nicht originell genug. Mit anderen Worten: Ich hatte meine eigene Stimme noch nicht gefunden.
Beim Unterrichten habe ich dann festgestellt, wie witzig und schlagfertig die Kinder sein konnten. Einige ihrer Aussagen, Neckereien und Gespräche schrieb ich auf.
Je besser ich die Schüler kennenlernte, desto faszinierter war ich von ihren sehr unterschiedlichen Einstellungen zur Schule: Manche waren sehr ernst und machten sich um alles Gedanken – ganz so wie ich in dem Alter. Andere waren allerdings viel lockerer und unbeschwerter und haben nie ihren Humor verloren. Über diese Kinder habe ich am liebsten geschrieben – vielleicht weil sie einen Teil von mir hervorkitzelten, der bis dahin eher verschüttet gewesen war. Mir waren vorher einfach kaum Bücher untergekommen, in denen derart lebhafte Persönlichkeiten und lustige Dialoge vorkamen. Aber ob ich das wohl besser einfangen konnte? Diese Frage hat schließlich mein Leben verändert.

Jugendbuch-Couch: Warum haben Sie mit Markus aus der „Wie man 13 wird …“-Reihe gerade einen Halbvampir als Protagonisten gewählt und keinen „ganzen Vampir“?

Pete Johnson: Vampire sind einfach cool – und damit meine ich nicht nur die Körpertemperatur: Sie sind stark, gefährlich, verführerisch. Ein Halbvampir allerdings klingt kein bisschen cool. Genau diesen Effekt wollte ich erzielen.
Markus machen also nicht nur die normalen pubertären Probleme zu schaffen – er bekommt auch noch Mundgeruch, ihm wächst ein weißer Fangzahn, er hat plötzlich Blut-Heißhungerattacken mitten im Unterricht. Und das ist erst der Anfang.
Im Laufe der Geschichte merkt Markus dann natürlich mehr und mehr, dass es doch nicht ganz so übel ist, ein Halbvampir zu sein, wie er anfangs dachte. Außerdem muss er einige ziemlich aufregende Situationen durchleben und entdeckt dadurch Fähigkeiten an sich, von denen er vorher nicht zu träumen gewagt hätte. Mittlerweile erhalte ich Leserbriefe, in denen die Figur nicht nur gelobt, sondern auch als sehr cool bezeichnet wird. Ich glaube, Markus würde dazu sagen: Wenn er cool sein kann, kann es jeder!

Jugendbuch-Couch: Sie haben einmal gesagt, dass Ihnen Markus von allen Figuren der Reihe am ähnlichsten sei. Was verbindet Sie mit ihm?

Pete Johnson: Hand aufs Herz: Ein Halbvampir bin ich nicht. Aber Markus und mich verbindet etwas anderes: Markus ist alles andere als begeistert davon, dass sein Leben sich so verändert, als er dreizehn wird – und mir ging es damals ganz genauso. Ich wollte mich nicht in eines dieser mysteriösen Wesen verwandeln, die man Teenager nennt. Warum sollte ich auch? Ich hatte tolle Freunde, eine Menge Hobbies und volle Bücherregale. Mein Leben war perfekt so wie es war. Diese Gefühle waren meine Inspiration.

Jugendbuch-Couch: Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert, wenn Sie als Erwachsener aus der Sicht eines 13-Jährigen schreiben?

Pete Johnson: Anfangs habe ich meinen Schülern die Kapitel laut vorgelesen. Sie waren knallharte Kritiker. Ihre Hauptbeschwerde war, dass ich zu sehr versuchte, wie ein Teenager zu klingen. „Da habe ich sofort keinen Bock mehr“, hat ein Mädchen gesagt. „Klingt wie mein Papa, wenn er meint, mit uns total auf einer Wellenlänge zu sein.“
Ich habe mir also angewöhnt, nicht ständig die neuesten Stars und Trends zu erwähnen, denn – wie ein anderes Mädchen sagte – das „wirkt fake“. Außerdem verhindert es, dass ein Buch zeitlos bleiben kann – denn was angesagt ist, ändert sich ja ständig.
Für mich liegt das Geheimnis darin, Dreizehnjährige zu entwerfen, die authentisch, echt und individuell sind anstatt Klischees. Das macht mir beim Schreiben sogar am meisten Spaß – zu jemand anderem zu werden. Schreiben verlangt ein unglaubliches Maß an Einfühlungsvermögen. Es lässt dich die Welt durch die Augen deiner Charaktere sehen.
Ich schreibe meistens aus der Ich-Perspektive, und einer der spannendsten Momente kommt immer, wenn man plötzlich – und das passiert grundsätzlich ganz plötzlich – völlig im Dialog einer Figur aufgeht und nur noch runterschreibt, was sie gerade sagt. Ich bin dann sozusagen verschwunden, und Markus spricht ohne meine Hilfe selbst direkt mit der Leserschaft. Das ist das Beste am Schreiben.

Jugendbuch-Couch: Welche Bücher lesen Sie selbst am liebsten?

Pete Johnson: Manchmal lese ich, weil ich die Welt vergessen will. Als ich zehn war hatte ich mal Mumps – drei Wochen lang, die mir aber eher wie ein Jahr vorkamen. In dieser Zeit waren die vielen Bücher, die meine Mama mir aus der Bibliothek mitbrachte, mein einziges Highlight. Beim Lesen war ich ein paar herrliche Stunden lang ganz woanders. Am besten gefielen mir die Bücher, die mich zum Lachen brachten.
Spulen wir vor ins Hier und Jetzt: Corona-Lockdown. Ich lese immer noch, um der Welt zu entfliehen, und immer noch mag ich lustige Bücher am liebsten – P.G. Wodehouse ist mein Held. Ich mag aber auch Krimis, z.B. von Agatha Christie. Und Biografien; im Moment lese ich One, Two, Three, Four: The Beatles in Time von Craig Brown. Biografien können sich am Anfang oft etwas ziehen, wenn es darum geht, wo die Person geboren wurde und wie ihre Großeltern hießen. Dieses sehr originelle Buch vermeidet das, indem es wild in der Zeit hin- und herspringt. Du weißt nie, nach wann es dich als nächstes verschlägt. Ich glaube, das ist sogar für Leute unterhaltsam, die mit den Beatles nichts anfangen können.

Jugendbuch-Couch: Ich habe gelesen, dass Sie immer ein Notizbuch dabeihaben, sollte Ihnen plötzlich eine Idee für Ihr Schreibprojekt kommen. Was war die bisher ungewöhnlichste Situation, in der Sie ein plötzlicher Einfall überkam?

Pete Johnson: Das stimmt. Man weiß eben nie, wann eine Idee Gestalt annehmen will. Sie kommen selten in fertiger Ausführung, meist erst einmal als eine Ahnung. Und man kann sie auf Biegen und Brechen nicht erzwingen! Einmal hatte ich eine Schreibblockade und dachte, ein Schulbesuch würde mich auf neue Ideen bringen – aber Fehlanzeige.
Am Ende des Tages stand eine Signierstunde an. Ein Junge wollte mich am Ende noch etwas fragen. Seine Eltern hatten sich getrennt, aber noch nicht geschieden, und er wollte wissen, wie hoch ich die Chancen einschätze, dass sie wieder zusammenkämen - das wünschte er sich nämlich sehr. Wir haben uns lange unterhalten, und danach sagte er, mehr zu sich selbst als zu mir: „Hätte mein Papa sich nur nicht so gehen lassen.“
Das fand ich so interessant, dass ich es sofort in mein Notizbuch gekritzelt habe. Auf der Heimfahrt ging es mir nicht aus dem Kopf, und plötzlich kam mir eine Idee: Zwei Kinder sind traurig, weil ihre Eltern sich getrennt haben – aber sie glauben zu wissen, warum! Ihr Vater hat zugenommen, trägt hässliche Klamotten und pflegt sich weniger. Doch wenn sie ihm helfen könnten, wieder mehr aus sich zu machen, und die neue und verbesserte Version ihrer Mutter präsentieren würden, müsste das doch auf ein Happy End hinauslaufen.
Ich habe mich so in dieser Idee verloren, dass ich meine Haltestelle verpasste und eine Stunde zu spät nach Hause kam. Aber das war es wert gewesen, denn jetzt hatte ich eine neue Buchidee – die später den Titel Rescuing Dad bekommen sollte. Und alles nur dank eines einzigen Satzes.

Das Interview führte Lisa Reim im August 2020.
Übersetzt aus dem Englischen von Yannic Niehr.
Foto © Luithlen Agency

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