Kyra Groh
04.2021 Interview mit Kyra Groh zum Buch „Mein Leben als lexikalische Lücke“
Ich versuche immer, meine Protagonisten und ihre Gefühle ernst zu nehmen.
Jugendbuch-Couch: Ein Kernaspekt Deines Buches Mein Leben als lexikalische Lücke sind Wörter, die Zustände oder Gefühle exakt auf den Punkt bringen, aber nur in einer Sprache vorkommen. Wie bist Du auf diese Idee gekommen?
Kyra Groh: Mich hat der Gedanke fasziniert, dass wir uns manchmal Worte aus anderen Sprachen borgen, weil sie etwas beschreiben, für das es auf Deutsch keine Bezeichnung gibt. Diese Worte passen dann zwar genau auf die Situation oder den Zustand – so richtig zur Sprache gehören sie aber nicht. In meinem Kopf formte sich dann der Buchtitel »Mein Leben als lexikalische Lücke«, den ich irgendwann gerne für ein Projekt benutzen wollte, bei dem jedes Kapitel nach einer solchen lexikalischen Lücke benannt ist. Nur eine Handlung hatte ich noch nicht.
Einige Zeit später fiel mir die Geschichte um Benni und Jule ein, die beide sehr nachvollziehbare Empfindungen haben, sich damit aber (unter anderem in ihren Familien) unzugehörig fühlen. Schließlich hat mein Kopf diese beiden Geistesblitze verdrahtet und Mein Leben als lexikalischer Lücke in seiner jetzigen Form wurde geboren.
Jugendbuch-Couch: Hast Du ein Lieblingswort, das in jeder Sprache vorhanden sein sollte?
Kyra Groh: Da fällt mir kein bestimmtes ein, aber ich muss sofort an verschiedensten Bezeichnungen denken, auf die ich bei der Recherche gestoßen bin: Sei es das portugiesische Cafuné, was so viel heißt wie »Jemandem liebevoll durch das Haar streicheln« oder das spanische »Sobremesa«, was die Zeit beschreibt, die man in geselliger Runde nach dem Essen noch gemeinsam am Tisch verbringt – letztendlich ist beides eine sehr spezielle Art, Zuneigung und Liebe auszudrücken. Solche Worte sollte es in jeder Sprache geben.
Jugendbuch-Couch: Du hast dich für zwei Protagonisten entschieden, die mit sich und ihrer jeweiligen Familie nicht im Reinen sind. Insbesondere die Themen Klimawandel und Religion stehen im Mittelpunkt. Warum waren gerade diese Bereiche für Dich interessant?
Kyra Groh: Beides sind Themen, bei denen ein großer Generationenkonflikt besteht (natürlich nicht in allen Familien). Beide sind auch gewissermaßen sinn- und gemeinschaftsstiftend. Jule setzt sich leidenschaftlich für das Klima ein, was ihre Eltern nicht verstehen – Bennis Mutter ist fundamentalistische Christin, wofür er kein Verständnis hat. Die beiden Jugendlichen haben es also gemeinsam, zu Hause nicht gehört zu werden, weil ihre Eltern ganz andere Moralvorstellungen haben.
Jugendbuch-Couch:Du hast bereits in Sicherheit ist eine verdammt fiese Illusion zwei Jugendliche mit Problemen ausgestattet, die nicht gerade „alltäglich“ sind. Wie schaffst Du es trotzdem, dass Deine jungen Leserinnen und Leser sich mit den Protagonisten identifizieren können?
Kyra Groh: Ich versuche immer, meine Protagonisten und ihre Gefühle ernst zu nehmen. Wenn ich es (hoffentlich) schaffe, ihre Gefühle authentisch darzustellen, werden die Probleme … ich will nicht sagen, dass sie nebensächlich werden, denn für die Geschichte selbst sind sie das natürlich nicht. Aber auf diese Weise können die Leserinnen und Leser (hoffentlich ;-) ) etwas für ihre eigene Lebenslage herausziehen, auch wenn diese ganz anders ist.
Jugendbuch-Couch: Wahrscheinlich arbeitest Du bereits am nächsten Buch. Kannst Du uns eine Kleinigkeit verraten, um die Wartezeit bis zur Veröffentlichung etwas zu versüßen?
Kyra Groh: Ich freue mich schon, bald auch wieder ein Buch im Genre Contemporary Young Adult zu schreiben. Aber als nächstes steht für mich erst einmal eine romantische Geschichte für junge und etwas ältere Erwachsene an.
Und zum Schluss noch ein paar Shorties:
Jugendbuch-Couch: Lieblings-Jugendbuch-Autor?
Kyra Groh: John Green und Holly Bourne
Jugendbuch-Couch: Lieblings-Protagonist eines Jugendbuchs?
Kyra Groh: Augustus Waters (ich heule, wenn ich den Namen nur denke)
Jugendbuch-Couch: Lieblings-Jugendbuch?
Kyra Groh: The Fault in our Stars, The Perks of being a Wallflower, Die Spinster-Girls Reihe.
Jugendbuch-Couch: Welches Thema lässt Dich zu einem Jugendbuch greifen?
Kyra Groh: Ich finde, jedes Thema kann gut erzählt werden. Wenn es dann noch mit authentischen Charakteren verbunden ist, bin ich an Bord!
Jugendbuch-Couch: Der schönste Moment in einem Buch?
Kyra Groh: Als Autorin: wenn ich merke, dass alles funktioniert und ineinandergreift. Als Leserin: wenn ich so richtig in die Geschichte gesogen werde und beim Lesen die Zeit vergesse.
Das Interview führte Julian Hübecker im April 2021.
Foto © Lukas Utendrup
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