Nico Abrell

04.2019 Julian Hübecker im Gespräch mit Nico Abrell, dem Autor von "Ich bin ich - und jetzt?".

Ich würde mich selbst als sehr chaotisch beschreiben.

Jugendbuch-Couch: Man kennt Dich ja vor allem wegen Deines Youtube-Kanals NICO, wo Du auch über homosexuelle Inhalte sprichst, sowie über die Jugendbuchreihe „Rising Sparks“. Warum hast Du dich dazu entschieden, so ein persönliches Buch wie „Ich bin ich - und jetzt?“ zu schreiben?

Nico Abrell: Ich habe mich dazu entschieden, weil ich die Message „der zu sein, der du sein willst“ und dass du dich für niemanden verstellen solltest, einfach noch weiterverbreiten wollte. Klar mache ich YouTube-Videos, die ca. 10.000 Menschen pro Folge schauen, aber da ich mir durch „Rising Sparks“ (mein Dystopie-Debüt) ohnehin schon mehr oder weniger einen Namen gemacht habe, dachte ich mir: warum nicht auch Pillowtalk im Buchformat? 

Jugendbuch-Couch: Was wünschst Du dir, was Deine Leser aus dem Buch mitnehmen können?

Nico Abrell: Das Buch ist kein goldener Leitfaden, der dir sagt, dass du dich GENAU SO verhalten musst, um mit dir selbst und deinem Umfeld klarzukommen. Es ist vielmehr eine Ansammlung meiner Erlebnisse und Tipps und Hinweise, wie ich es anders gemacht hätte - also eine Art großer Bruder, der dich an die Hand nimmt und dir sagt, dass du genau so toll bist, wie du eben bist. Und im selben Atemzug wünsche ich mir, dass genau diese Message bei den Lesern ankommt: dass man sich nicht für andere verstellen muss, um mit sich selbst im Reinen zu sein.

Jugendbuch-Couch: Du bist schwul und berichtest davon, dass Du deswegen in der Schule gemobbt wurdest. Warum meinst Du, ist „schwul“ immer noch ein Schimpfwort? Was muss in der Gesellschaft passieren, damit mehr Umdenken stattfindet?

Nico Abrell: Das ist eine Frage, auf die ich so schnell gar keine Antwort habe. Und ich glaube, dafür müsste man die Gesellschaft noch genauer unter die Lupe nehmen, als in diesen paar Sätzen. Ich glaube, dass „schwul“ in erster Linie immer noch ein Schimpfwort ist, weil man mit diesem Wort das Schlechte verbindet und das, was unmenschlich bzw. „verboten“ oder schlichtweg nicht gut ist. Ich glaube auch, dass das „Umdenken“ ganz automatisch passiert. Wir sind auf einem recht guten Weg und man sieht ja schon jetzt, dass mit den immer jünger werdenden bzw. nachkommenden Generationen das „Umdenken“ von ganz allein in den Köpfen verankert ist. 

Jugendbuch-Couch: Bekommst Du noch heute negative Kommentare und, wenn ja, wie gehst Du damit um?

Nico Abrell: Die bleiben natürlich auch nicht aus. Zumal ich eben einen recht persönlichen Content veröffentliche und somit eine entsprechende Angriffsfläche biete. Da die meisten solcher Kommentare sowieso nur Dinge wie „Schwuchtel“ oder „Geh sterben“ beinhalten, kann ich darüber bloß lachen. Natürlich nehme ich Kritik zu Herzen, aber da der konstruktive Aspekt bei solchen Kommentaren meist ausbleibt, bleibt da nicht viel mehr übrig, als schlichtweg zu lachen :).

Jugendbuch-Couch: Du gibst in Deinem Buch viel Raum, damit Leser ihre Gedanken und Überlegungen aufschreiben können. Unter anderem dürfen sie Konter auf blöde Sprüche notieren. Warum hältst Du so etwas für wichtig?

Nico Abrell: An sich finde ich das einfach wichtig, um den Mobbern zu zeigen, dass man eben nicht jeden Satz einsteckt und sich selbst noch mehr Schaden zufügt. Mir ist sehr wohl bewusst, dass solche Sätze nicht automatisch das eigene Selbstbewusstsein stärken, aber vielleicht zeigen diese Konter den Mobbern einfach, dass man durchaus in der Lage ist, sich zu wehren. 

Jugendbuch-Couch: Unter anderem predigst Du auch, sich selbst treu zu bleiben und sich nicht darum zu kümmern, was andere denken. Wie würdest Du dich selbst beschreiben? Für was musstest Du dich schon öfter rechtfertigen?

Nico Abrell: Ich würde mich selbst als sehr chaotisch beschreiben. Als jemand, der vielleicht des Öfteren zuerst nachdenken sollte, bevor er zur Tat schreitet. Aber ich kann, glaube ich, auch manchmal ganz lustig und nett sein. Ich musste mich des Öfteren schon vor „Freunden“ bzw. Mitschülern dafür rechtfertigen, dass ich Puder bzw. Concealer trage, wenn ich auf Events und Co. gegangen bin; warum ich meine Haare färbe oder ob ich nur ins Fitnessstudio gehe, weil ich mich selbst hässlich finde. Aber wie die Frage ja bereits preisgibt, sollte man sich nicht darum kümmern, was andere denken.

Jugendbuch-Couch: Du schreibst ja auch im fantastischen Jugendbuchbereich. Kehrst Du nach diesem Buch in diese Sparte zurück oder gibt es andere Pläne?

Nico Abrell: So schnell werde ich, glaube ich, nicht mehr eine Dystopie oder ähnliches schreiben, weil ich mich derzeit vielmehr in der LGBT- bzw. Roman-Schiene sehe. Da ist auch schon das eine oder andere in Planung. Aber wie und wann oder ob etwas davon veröffentlicht wird, ist noch offen. „Ich bin ich - und jetzt?“ Ist auf jeden Fall nicht das letzte Buch von mir gewesen :). 

Das Interview führte Julian Hübecker im April 2019.
Foto © Heike Bogenberger

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