Nicht mit mir!

  • Thienemann, 2010, Originalausgabe
Nicht mit mir!
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Rita Dell'Agnese
6101

Jugendbuch-Couch Rezension vonAug 2010

Eine etwas zu einfache Sichtweise

Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Eine etwas zu einfache Sichtweise"

Mobbing in der Schule: Das Thema, das Christine Biernath in ihrem Roman "Nicht mit mir!" aufgreift, ist hochaktuell. Auch die Ausgangslage ist gut angelegt: Nadja muss nach einem Umzug die Schule wechseln. Dort wird die Neue ungnädig aufgenommen, ihre fraulichen Formen fordern die Lästermäuler heraus. Anstatt aber in sich zusammen zu sinken und zum Opfer zu werden, lehnt sich Nadja auf. Anders Lukas. Er wird von den anderen gnadenlos vorgeführt und ausgelacht. Und er ist ein williges Opfer, versucht nicht mal, sich gegen die Übergriffe der Clique zu wehren. Lennard und Jenny hingegen sind Mitläufer, die zwar spüren, dass es nicht richtig ist, was die Clique tut, die sich aber nicht gegen die vier Tonangebenden auflehnen. Auf dieser Situation baut Christine Biernath ihren Roman auf. Sie erzählt in kurzen Kapiteln, die jeweils einer der vier Hauptpersonen gewidmet sind und die Ereignisse aus deren Gesichtspunkt schildern.

Die Herangehensweise der Autorin ans heikle Thema "Mobbing" überzeugt auf den ersten Blick. Sehr geschickt packt sie die Elemente in die jeweiligen Perspektiven hinein: Nadja erlebt die Mobbing-Situation sozusagen als Außenstehende, Lukas als Opfer, Jenny und Lennard als Beteiligte, denen aber dabei je länger desto mehr unwohl ist. Leider vermag Christine Biernath das Versprechen, das sie mit dem Thema und dem Aufbau des Romans gibt, nicht einzuhalten. Die Protagonisten bleiben blutleer und agieren nicht immer nachvollziehbar. Insbesondere Nadja wirft einige Fragen auf. Als Mädchen mit Rundungen entspricht sie ganz und gar nicht dem gängigen Schönheitsideal. Dies ist ihr auch sehr bewusst und so ist sie betroffen, als sie die negativen Äußerungen über sie mitbekommt. Nach einer äußerst kurzen Rücksprache mit der vielbeschäftigten Mutter und einer etwas tiefer gehenden Anleitung ihrer Freundin Ellie ist Nadja aber in der Lage, die Verletzungen beiseite zu packen und schlagfertig gegen die Anfeindungen anzugehen. Genau hier verliert aber die Autorin massiv an Glaubwürdigkeit. Denn Nadjas Coolness will nicht so recht zu ihren Selbstzweifeln passen. Die kurzen Passagen mit den verbalen Streicheleinheiten ihrer Mutter vermögen diese Situation nicht zu klären.  Zu sehr bleibt der Zuspruch an der Oberfläche, als dass er das Selbstvertrauen des Mädchens ernsthaft stärken könnte.

Unglaubwürdig bleibt auch die Entwicklung, die Jenny und Lennard durchmachen. Hier setzt die Autorin stark auf das Bild der eigentlich Guten, die sich dessen zu wenig bewusst sind und erst durch verschiedene Ereignisse daran erinnert werden müssen. Diese Auseinandersetzung mit sich selbst passiert aber im Buch ausschließlich an der Oberfläche. Es fehlt an Tiefe, es gibt keine Phase, in der die Protagonisten zweifeln und entsprechend handeln. So bleiben die vier letztlich in ihren Welten stecken. Anstatt sich aber nun mit dem Mobbing näher auseinander zu setzen, spricht Christine Biernath etliche weitere, heikle Themen an: So etwa erlebt Lennard, wie sich sein Vater um ein Baby kümmert, das er mit seiner neuen Partnerin hat, während Lennard seine Aufmerksamkeit nie wirklich hatte. Lukas hingegen versucht, seine körperlichen Einschränkungen durch Internet-Spiele zu kompensieren, und auch Nadja, die mit dem Wechsel ihres Umfeldes fertig werden muss, ist mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Dass der Roman nach gerade mal 174 Seiten abrupt zu Ende ist, verstärkt das Gefühl, nicht richtig auf seine Kosten gekommen zu sein.

FAZIT

Ein spannendes Thema, ein gutes Konzept und eine ideale Ausgangslage sind kein Garant dafür, dass die Geschichte auch funktioniert. Christine Biernath macht zu wenig aus den Vorgaben und bleibt viel zu stark an der Oberfläche, um eine nachwirkende Aussage zu machen. Der Roman ist nett, vermag aber über weite Strecken nicht zu überzeugen und lässt viele Fragen offen. Hier wünschte man sich, die Autorin gäbe der ganzen Geschichte mehr Substanz.

Nicht mit mir!

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