Die Nacht so groß wie wir

Hardcover, 192 Seiten

ISBN: 9783499005749

Die Nacht so groß wie wir
Die Nacht so groß wie wir
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Sabine Bongenberg
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonNov 2021

Zukunftsland wird abgebrannt

All‘ die Jahre sind sie gemeinsam zur Schule gegangen und jetzt haben sie es geschafft, es ist vorbei und der große Sprung ins Leben wartet auf sie: Suse, Pavlow, Maja und Tolga nehmen ihre Abizeugnisse entgegen und stehen davor, ihre großen Zukunftsträume zu verwirklichen. Wer in die Röhre guckt, ist Bo, der durch die Prüfungen gerasselt ist und damit schon nicht mehr richtig zu ihrer Clique gehört, auch wenn das keiner so recht glauben will. Aber insgesamt stehen die Zeichen auf Abschied und auf Weitergehen und das macht manchmal dann doch Probleme oder Ärger. Manchmal macht es sogar so viel Ärger und so viele Probleme, dass anschließend nichts mehr so sein kann, wie vorher …

Viel Gepäck

Sarah Jäger machte 2020 durch ihre wundervollen Helden aus dem Penny-Markt in dem Road-Movie Nach vorne, nach Süden auf sich aufmerksam. Seinerzeit gelang ihr ein kleines Wunderwerk um die Erzählungen über Freundschaft, Hoffnung und nicht zuletzt dem Wachsen der Persönlichkeit. Aber so wie ihr früheres Werk im sonnigen Gelb strahlte, so ist die Aufmachung des jetzigen Buches schwarz und zeigt nur wenige freundliche Lichtpunkte. Jägers zweites Buch hat auch nichts mit der fröhlichen Aufbruchstimmung, die das zusammengewürfelte Team des Penny-Marktes seinerzeit auszeichnete, gemein.

Seine Helden haben zwar – mit einer Ausnahme – den höchsten Schulabschluss in Deutschland geschafft und vor ihnen sollte eine glänzende Zukunft liegen, doch ist von besonderer Freude oder auch von großen Hoffnungen nicht sonderlich viel zu spüren. Sicherlich mag das auch daran liegen, dass sie schon besondere Härten in ihrem Leben erfahren haben: Suse erlebte früh den Verlust eines Familienmitglieds; Pavlov ging das ähnlich, allerdings verließ sein Vater die Familie, um mit der neuen Freundin zusammenzuleben; und mit Tolgas Ankunft hatten seine damals schon recht alten Eltern scheinbar gar nicht mehr gerechnet. Alle haben ihre Päckchen und Probleme zu tragen und waren damit sicherlich nicht der unbeschwerte Mittelpunkt ihrer Klassengemeinschaften. Dennoch – so ganz erschloss sich mir nicht, aus welchem Grund sich abschnittsweise die große Wut Bahn machte und sogar Taten begangen wurden, die ganz bestimmt nicht auf eine Hochschule oder ins Ausland, sondern vielmehr auf die Anklagebank geführt hätten.

Meine Probleme hatte ich bei diesem Roman auch mit Jägers Erzählstruktur. Anders als in ihrem ersten Roman wird die Handlung aus Sicht der verschiedenen Personen geschildert und das ist sprachlich natürlich nicht sonderlich einfach zu vermitteln. Ich vermute daher, dass die Autorin beispielsweise ihrer Heldin Suse die Eigenschaft mitgab, jeden Menschen mit einem Adjektiv zu belegen. Grundsätzlich mag das eine gute Idee sein – mich nervte es aber gewaltig von dem verschrabbelten Ethan, der kodderigen Pilar, dem gestreiften Henning oder der piksigen Tamara zu lesen und das nicht nur einmal, sondern jedes Mal wenn sie genannt wurden. Meine Probleme hatte ich auch manchmal mit den zu schnellen Wechseln zwischen den Personen und zusätzlichen Sprüngen zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit. Manchmal fragte ich mich auch, wie die Leser deren Alter ja ab 14 Jahren angegeben ist, mit den ganzen Sprüngen, den halben Sätzen und den teilweise unverständlichen Unterhaltungen zurechtkommen.

Dennoch ist es Sarah Jäger gelungen neben dem düsteren Hauptbild auch noch heitere und schöne Lichtblicke einzufangen. So beschreibt sie witzig und liebevoll die besondere Bedeutung des „Schulwirtes“ Penne (des weltbesten Penne) und setzt damit all den Wirten, in dessen Kneipen sich Generationen von Schülern getroffen haben, ein kleines Denkmal. Schön sind auch die Momente der besonderen Freundschaft zwischen den einzelnen Protagonisten oder auch die etwas schrägen, aber dafür umso anschaulicheren Beschreibungen der nicht einfach zu erklärenden Lebensumstände.


“Tolga ist wie ein Gast…Er klingelt an der Tür, aber leider war die Party schon am Abend zuvor. Er hat sich schlichtweg im Datum geirrt. Jetzt sitzt er im Wohnzimmer und die Gastgeber*innen wissen nicht so richtig, was sie mit ihm anfangen sollen.“


Fazit

Sarah Jägers neuer Roman zeigt sicherlich lebendig und authentisch, aber auch verkopft und ziemlich düster, wie sich der Sprung in einen neuen Lebensabschnitt gestalten kann – aber es lieber nicht tun sollte.
 

Die Nacht so groß wie wir

Sarah Jäger, Rowohlt Rotfuchs

Die Nacht so groß wie wir

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