Magnus Chase: Das Schiff der Toten
Abschluss des Ausflugs in die nordische Götterwelt
So lange ist es eigentlich gar nicht her, dass Magnus Chase als Obdachloser in Boston gelebt hat. Mittlerweile ist er tot, wurde nach Walhalla gebracht, lernte Walküren, Helden und Götter kennen und musste sich seinem Schicksal stellen. Ausgerechnet er, der eigentlich nur seinen Frieden will, soll nun im Kampf gegen Loki antreten. Loki - hmm, war das nicht der gefesselte Gott der Asen?
Jein, denn gefesselt, wie in mit Ketten an einen Felsen befestigt, wo ihm Säure in die Augen tropft (Sie sehen schon, die nordischen Götter sind mitnichten netter als ihre südlichen Verwandten), ist Loki nicht mehr. Der Gott der Lüge und Täuschung konnte sich befreien - jetzt folgt Ragnarök, der Weltuntergang. Denn Loki hat Naglfari, das riesige Wikinger-Schiff aus den Finger- und Zehennägeln der ehrlosen Toten, mit Riesen und Untoten bemannt und ist dabei, es aus dem ewigen Eis zu lösen.
Magnus Chase und seine Freunde machen sich in der goldenen Banane, wie sie ihr Wikingerboot getauft haben, auf die unmögliche Quest, ihn aufzuhalten - schließlich hat Magnus in einem Anfall geistiger Umnachtung (na gut, er wurde von wilden Meeresgöttern gefangen gehalten und drohte verspeist zu werden) versprochen, im Senna, einem Schmäh-Dichtwettstreit, gegen Loki anzutreten. Um überhaupt den Hauch einer Chance zu haben, braucht Magnus Kavsiers Met, den Met der Götter ...
Routiniert verfasst mit einigen interessanten Ansätzen, aber nicht ganz Percy Jackson-Potential
Zum dritten und vorerst letzten Mal hebt sich der Vorhang zur nordischen Götterwelt des Rick Riordan. Wie dies beim Autor so Usus ist, wird der Leser, der die Vorbände nicht gelesen hat, dem Geschehen kaum folgen können. Viel zu sehr baut die Handlung auf den Vorbänden auf, wird immer wieder auf Figuren, deren Historie und Geschehnisse Bezug genommen. Eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Abenteuer aber hätte dem Band und dem Verständnis des Lesers zu Beginn sicherlich gutgetan - allein man sucht Entsprechendes leider vergeblich. Stattdessen setzt der Plot exakt am Ende des zweiten Teils an, und führt diesen direkt weiter.
Wie ich schon in meiner Besprechung zu den Vorbänden ausgeführt habe, gefällt mir die Idee, eine der wichtigsten Helferinnen unseres Helden (eine der Walküren) mit einem islamischen Hintergrund auszustatten. Hier wird nicht nur für Toleranz geworben, sondern auch auf die Eigenheiten der Gläubigen - das Beten gen Mekka, der Ramadan - eingegangen und dies als etwas Alltägliches dargestellt. So sollen die Leser dazu angeregt werden, sich auf den Gedanken, dass das Fremde nicht automatisch schlecht sein muss, einzulassen; dazu noch ein Mädchen in der Rolle der toughen Retterin, das ist gelebte Gleichberechtigung.
Inhaltlich hat Riordan es für meinen Geschmack etwas übertrieben. Gar zu viele verschiedene Götter/Riesen/Unsterbliche begegnen unserem Helden, die Treffen und Fährnisse beginnen, austauschbar zu werden, die Übersicht geht verloren. Gerade weil wir von den Asen und Wanen wenig bis nichts wissen - im Gegensatz zur römischen und griechischen Götterwelt - verlieren wir hier schnell den Überblick.
Die Abenteuer selbst bieten dem Leser all das, was er/sie von einem Riordan erwartet - jede Menge haarsträubend gefährlicher Situationen, aus denen unsere Erzähler eigentlich nicht mit heiler Haut herauskommen dürften.
Auch wenn die Handlung letztlich zunächst (bei Riordan weiß man ja nie) befriedigend abgeschlossen werden konnte, und sich die Asen und Wanen als Göttergeschlecht durchaus interessant anboten, erreichte die Trilogie nie die Faszination der Percy Jackson-Titel. Ähnlich wie beim Ausflug in die ägyptische Mythologie sind die Götter nicht "menschlich" genug, verhalten sich zu distanziert, zu mächtig, als dass sie mit der Handlung um die griechischen/römischen Vettern mithalten könnten. Der Erzähler selbst bietet sich recht angenehm an; dass Riordan gerade jugendliche Charaktere bestens zu schreiben weiß, ist bekannt.
Fazit:
Letztlich liegt ein durchaus unterhaltsamer, dramatisch-spannender Abschluss der Trilogie vor, der die Fans des Autors zufrieden zurücklässt, Neulesern aber den Einstieg schwer, ja fast unmöglich macht.
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