Ein hervorragendes Zusammenspiel zahlreicher Protagonisten
„In dem Moment wurde mir klar, dass das die Art von Mord ist, mit der man durchkommen kann: jemanden umzubringen, von dem sich jeder wünscht, er wäre tot.“
Simon ist der Erfinder einer App, in der die intimsten Geheimnisse offenbart werden. Dadurch macht er sich nicht nur zum Außenseiter der Schule, sondern wird auch von jenen gehasst, die er damit bloßgestellt hat. Als er mit vier weiteren Mitschülern zum Nachsitzen verdonnert wird, weiß nur einer von ihnen, dass Simon sterben soll. Und dass dies erst der Anfang ist.
Über die Sorgen klassischer Jugendlicher inmitten eines tödlichen Spiels
Karen McManus legt mit One of us is lying ein großartiges Jugendbuch vor, das geschickt mit Geheimnissen und Intrigen einer typischen amerikanischen High-School spielt. Es ist ein Buch, das viel Spielraum dafür lässt, diese Geheimnisse zu erkunden und ein Verbrechen aufzuklären, welches seinen Ursprung in all diesen Versteckspielen hat. Doch man wird nicht nur in einen grauenvollen Todesfall involviert, sondern erlebt vier Jugendliche mit alltäglichen Problemen sowie solchen, deren Geheimhaltung sie Einiges kosten kann.
Die Protagonisten repräsentieren klassische Archetypen: Addy, das „Girlie“, mit ihrem perfekten Freund, die sich mehr um ihr Äußeres als die Schule kümmert; Nate, Drogendealer, der, von der Mutter verlassen, mit seinem alkoholabhängigen Vater allein lebt; Bronwyn, die Streberin aus gutem Hause, die Dank ihrer Noten die freie Wahl des zukünftigen Colleges hat; und schließlich Cooper, das Sportass, mit guten Chancen auf ein Sportstipendium. Jedem dieser Charaktere wird abwechselnd ein eigenes Kapitel zugesprochen, aus deren Sicht in der Ich-Form erzählt wird. Denn diese Jugendlichen sind mehr, als sie auf den ersten Blick scheinen. Sie alle haben ihre Geheimnisse, die sie um jeden Preis bewahren wollen.
Doch da gibt es eben noch Simon, der die Gossip-App „About That“ programmiert hat. Dort offenbart er regelmäßig die größten Geheimnisse gewisser Personen. Plötzlich stirbt Simon jedoch auf tragische Weise, während Addy, Nate, Bronwyn und Cooper mit ihm nachsitzen müssen. Auf einmal stehen sie alle unter Mordverdacht, und ihre sorgsam geführten Versteckspiele scheinen nicht mehr sicher. Doch wer von ihnen hatte dieses Verbrechen von langer Hand geplant und schickt auch nach Simons Tod noch Nachrichten über die App, zu der nur Simon Zugang hatte? Und wessen Geheimnis wog so schwer, dass dafür sogar ein Mord zu rechtfertigen war?
„Es ist aber auch eine absolut großartige Geschichte: vier gut aussehende, im Fokus der Öffentlichkeit stehende Schüler, gegen die wegen Mordes ermittelt wird.“
Wow, was für ein Pageturner. Ich hatte mich wahnsinnig auf das Buch gefreut und dadurch ein bisschen Angst, dass meine Erwartungen zu hoch waren. Dies war jedoch unbegründet, da ich nur so durch das Buch geflogen bin. Die Autorin hat es geschafft, dem Leser häppchenweise falsche Fährten vorzulegen, aus denen man seine eigenen Theorien zum Täter spinnen konnte. Zwar hatte ich für mich schnell einen Verdächtigen, doch machte es mir die Autorin nicht gerade leicht, meinen Verdacht zu halten (welcher sich im Nachhinein sowieso als falsch herausstellte). Dadurch, dass jeder der vier Jugendlichen aus seiner Perspektive erzählen durfte, wurden sie einem nahbarer und dadurch wiederholt von jeglichen Verdachtsmomenten freigesprochen. Somit war es tatsächlich ein Auf und Ab der Verdächtigungen, was die Spannung enorm in die Höhe getrieben hat.
Ein großes Pro waren für mich auch die Charaktere als Ganzes. Obwohl viele Protagonisten eingeführt wurden – Geschwister, Eltern, Anwälte, Freunde, usw. -, hatten sie alle ihren rechtmäßigen Platz gehabt und zur Geschichte beigetragen. Ich hatte bei keiner einzigen (!) Figur das Gefühl, diese würde nicht in die Storyline passen. Im Gegenteil: Sie waren zur Entwicklung der Hauptfiguren unabdingbare Elemente. McManus hat sogar den Nebenrollen Raum gegeben sich zu entwickeln. Das habe ich tatsächlich so noch nicht erlebt, und dafür sehe ich sogar darüber hinweg, dass die Perspektivwechsel zwischen den Erzählungen der vier Jugendlichen in der Ich-Form oftmals verwirrend und schwer zuzuordnen waren. Einen Punkt musste ich dennoch abziehen, da mir die Handlung nicht ausreichend zufriedenstellend war. Für meinen Geschmack verlor sie sich manchmal zu sehr in ihren Verstrickungen, sodass das Hauptaugenmerk nicht mehr auf das Lösen des Falls zu liegen schien. Allerdings ist das Meckern auf hohem Niveau.
Fazit:
Ein grandioses Buch über vier Jugendliche, die in einen Mordfall verstrickt sind und die jeder für sich hervorragend ausgearbeitet wurden. Dass die Handlung dabei etwas aus der Spur kam, kann aufgrund des großen Ganzen verschmerzt werden.
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