Von wegen, es ist Schluss

  • Thienemann, 2009, Titel: 'Von wegen, es ist Schluss', Originalausgabe
Von wegen, es ist Schluss
Von wegen, es ist Schluss
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Corinna Abbassi-Götte
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonOkt 2009

Schon lange kein kurioses Phänomen mehr  

Obwohl Sammy und Daniel sich als Nachbarn schon lange kennen, ändert sich ihre Beziehung zueinander plötzlich. Für Sammy waren die wenigen Treffen und der eine Kuss nicht wichtig, für Daniel jedoch bedeuteten sie alles. Sammy wird zu seinem Lebensmittelpunkt.

Sammy wohnt mit ihrer Mutter in derselben Wohnanlage wie Daniels Familie. Daniels Schwester Isa ist genauso alt wie Sammy, die beiden Mädels spielen zusammen Handball, und auch die Eltern verstehen sich gut. Daniel und Sammy kennen sich schon lange, aber besonders viel hatten sie nie miteinander zu tun. Eher zufällig kommt es dazu, dass Daniel Sammy zu einer Party begleitet. Sie will sich vor ihrem Ex-Freund nicht die Blöße geben und allein kommen. Er tut ihr also den Gefallen und kommt mit, küsst sie sogar vor den Augen der anderen – alles nur Show, wie Sammy glaubt. Danach folgen weitere Treffen. Ohne Hintergrundgedanken lässt sich Sammy zum Eis einladen, sie treffen sich beim Joggen, gehen ins Kino.

Sammys Freundin Lena nennt Daniel den dumpfen Daniel, da er nur schwarze Kleidung trägt. Sammy verteidigt ihn, denn sie findet ihn eigentlich ganz nett, ist jedoch schon ein wenig entsetzt, als sie sieht, dass Daniels Zimmer komplett schwarz gestrichen ist und er auch sonst eher pessimistisch ist. Er liest anspruchsvolle Literatur, sucht den Sinn des Lebens und lehnt vor allem den Mainstream ab. Sammy ist das Gegenteil. Sie ist natürlich nicht dumm, doch sie steht auf der Sonnenseite des Lebens und will Spaß haben. Als sie feststellt, dass sie keine Beziehung zu Daniel will, teilt sie ihm dies vorsichtig mit. Er reagiert, als ob die Welt untergeht und droht sogar mit Selbstmord. Sammy ist entsetzt. 

Rosen, Kuscheltiere, Briefe, E-Mails, Anrufe – Daniel versucht Sammy mit allen Mitteln zurückzuerobern, doch sie lässt sich nicht erweichen. Er versucht sogar, sie psychisch zu manipulieren. Mehr und mehr beginnt sie unter seinen Nachstellungen zu leiden. Dies wirkt sich bereits auf ihre sportlichen Leistungen aus. Sie geht nicht mehr zum Training, um Isa nicht sehen zu müssen, die ihr die Schuld an Daniels Leiden gibt.

Paketlieferungen, Pizza-Bestellungen, platte Reifen, Telefonterror, unzählige SMS und E-Mails – der Druck wird immer größer und Daniels Taten verbrecherisch. Als ihre Mutter endlich dahinterkommt, was Daniel tut, handelt sie sofort und geht mit ihrer Tochter zur Polizei. Doch es gibt ein Problem: Daniel und Sammy wohnen immer noch in derselben Wohnanlage.

Schnörkellos und ohne allzu viele Details schildert Christine Biernath, wie trotz jahrelanger Bekanntschaft und scheinbar aus heiterem Himmel die Bekanntschaft zwischen Sammy und Daniel krankhafte Züge annimmt. Dabei verzichtet sie weitestgehend auf die Gründe für Daniels Verhalten, und auch Sammys Seelenleben deutet sie nur grob an. Natürlich erfährt der Leser, wie sehr sie unter Daniels Nachstellungen leidet, doch die Autorin reizt diese Qual nicht aus oder zieht sie unnötig in die Länge. Und hier liegt meiner Meinung nach eine große Stärke des Buches. Die Autorin  verzichtet auf Effekthascherei. Sie konzentriert sich stattdessen auf die Entwicklung des Stalkingprozesses und bietet Handlungsmöglichkeiten an. Daher ist dieses Buch nicht nur informativ, es gibt eventuell selbst Betroffenen wertvolle Tipps.

Darüber sprechen und zur Polizei gehen! Nicht versuchen, damit allein fertig zu werden! Sammy erzählt ihrer Freundin Lena von Daniels Verhalten, und ihre Mutter nimmt sie mit zur Polizei. Ein neues Handy, Geheimnummer, sämtliche Beweise sichern – dies alles gilt es zu beachten, erfahren sie von der Polizeihauptmeisterin. Zurecht ist man entsetzt darüber, was Sammy als Opfer alles beachten muss und wie sehr sie durch Daniels Straftat eingeschränkt wird. Doch Stalking ist eben kein normales Verbrechen.

Hinter dem Begriff Stalking verbirgt sich laut Definition "das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, so dass dessen Sicherheit bedroht und seine Lebensgestaltung schwer wiegend beeinträchtigt werden." Im Frühjahr 2007 ist der § 238 StGB "Nachstellung" in Kraft getreten. Er stellt Stalking unter Strafe und verbessert damit den Schutz der Stalking-Opfer. Inzwischen gibt es diverse Beratungsstellen, Telefonnummern und Informationsseiten im Internet.

Sammys Geschichte endet relativ offen. Der Leser kann sich frei überlegen, was weiter mit Sammy und Daniel geschehen wird. Deutlich ist jedoch geworden, dass Sammy es allein nicht geschafft hätte mit Daniel und seinen Nachstellungen fertig zu werden. Dazu hat sie ihm viel zu lange geglaubt und sich immer wieder aufs Glatteis führen lassen. Ein wenig klischeehaft ist Daniels Charakter (schwarze Kleidung, schwarze Wände, deprimierende Musik, deprimierende Lektüre) zwar angelegt, doch dies stört nicht sonderlich. Die Entwicklung ist interessant und der Informationsgehalt hoch.

Auch verzeiht man genau aus diesem Grund die ein oder andere fragwürdige Handlungsweise Sammys. Ich bezweifle zum Beispiel sehr, dass sie wirklich zu Daniel ins Auto gestiegen wäre.

FAZIT

Christine Biernath widmet sich einem sensiblen Thema, dem Stalking, das erst 2007 unter Strafe gestellt wurde und den Ruf eines kuriosen Phänomens mittlerweile endgültig verloren hat. Am Beispiel von Sammy schildert sie einen möglichen Ablauf, konzentriert sich dabei auf dessen Entwicklung und liefert evtl. Betroffenen wertvolle Hilfe und Informationen.

Von wegen, es ist Schluss

Christine Biernath, Thienemann

Von wegen, es ist Schluss

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