Retrum

  • Loewe
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Loewe , 2011, Titel: 'Retrum', Originalausgabe
Retrum
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Yvonne Schulze
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonFeb 2012

Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird zu leben

Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird zu leben"

Ein Cover in Schwarz und Grau, ein schwarzer Buchschnitt, schwarze Sprenkel an den Seitenrändern, passende Illustrationen am Beginn jedes Teils, der Titel in einem dunklen Lila als einziger Farbklecks, die Farben der Trauer dominieren die Aufmachung dieses Buches, und dementsprechend düster ist auch die Geschichte, die hier erzählt wird.

Der sechzehnjährige Christian ist Schuld am Tod seines Zwillingsbruders, da er ihn zu einer Spritztour auf dem Motorrad des Vaters überredet und dabei einen Unfall verursacht hat. Die Ehe der Eltern zerbricht, seine Mutter zieht nach Amerika und Christian bleibt mit seinem ebenfalls in seiner Trauer gefangenen Vater allein zurück. Über den verstorbenen Bruder wird nicht gesprochen, sein verwaistes Zimmer wird zum Mausoleum. Christian zieht sich vollständig zurück, sein Leben ist fortan geprägt von Melancholie und Schwermut. Er lässt niemanden an sich heran, weder seinen Vater noch sonst jemanden. Nur Alba, seiner hübschen Mitschülerin und Banknachbarin, gelingt es mit ihrer heiteren und unkomplizierten Art, ihn ab und zu aus seiner Lethargie zu reißen.

Am wohlsten fühlt  sich Christian in der Einsamkeit des Friedhofs, wohin er sich gern zurückzieht. Dort trifft er eines Tages auch Robert, Lorena und Alexia, drei Jugendliche aus der Gothic-Szene, die sich schwarz kleiden und weiß schminken und den Kontakt zu Toten suchen. Christian ist fasziniert von ihnen und schließt sich ihnen an. Gemeinsam gründen sie "Retrum". Sie treffen sich regelmäßig auf Friedhöfen, wo sie auch die Nächte verbringen. Christian verliebt sich in die geheimnisvolle Alexia und fühlt sich nach langer Zeit endlich wieder lebendig. Doch der Tod holt Christian schnell wieder ein, als Alexia während einer gemeinsamen Ferienreise ermordet wird. 

Ein Thriller der keiner ist

Auch wenn es auf dem Cover steht, ein Thriller ist dieses Buch ganz sicher nicht. Und auch wenn sich ein Gutteil der Handlung auf Friedhöfen abspielt, wird man Grusel, Mystik oder Nervenkitzel hier vergeblich suchen. Es springen in der Geschichte auch keine Gespenster, Vampire, Zombies oder ähnliche Wesen herum.

Francesc Miralles erzählt vielmehr auf sehr einfühlsame und ruhige Weise die Geschichte eines Jugendlichen, der sich für den Tod seines Bruders verantwortlich fühlt und mit seiner Trauer und seinen Schuldgefühlen allein gelassen wird. Er zieht sich immer mehr zurück, wird zum Einzelgänger und Sonderling, der stundenlang in seinem Zimmer sitzt und melancholische Musik hört. Er hüllt sich in seine Traurigkeit wie in einen heiligen Mantel, die Suche nach Einsamkeit führt ihn immer wieder auf den Friedhof.  

Christian erzählt seine Geschichte als Ich-Erzähler selbst und man bekommt einen direkten Einblick in sein Gefühlsleben. Auch wenn es anfangs etwas schwierig ist, sich diesem melancholischen Jungen zu nähern, schließt man ihn doch irgendwann ins Herz. Man muss sich einlassen können auf Christians Geschichte, muss bereit sein für die unterschwellig stets präsente Melancholie und den Weltschmerz, doch wenn man sich einmal drauf eingelassen hat, lässt einen die Geschichte nicht mehr los. Lange Zeit weiß man nicht, wohin sie eigentlich führt, welche Intentionen der Autor hier verfolgt. Bis zur Hälfte des Buches läuft die Handlung eher im ruhigen Fahrwasser, aber dann nimmt sie Fahrt auf, wird spannend und kann auch mit der einen oder anderen interessanten Wendung überraschen. Was allerdings absolut nicht überzeugen kann, ist das Ende der Geschichte, das in seiner Einfallslosigkeit schlichtweg enttäuscht und den Leser eher frustriert zurücklässt.

Mit Christian hat der Autor eine sehr plastische und greifbare Hauptfigur geschaffen und auch die Nebencharaktere sind gelungen. So findet auch Christians Vater im Laufe der Geschichte einen Weg aus seiner Trauer, die liebenswürdige Alba sorgt mit ihrer unkomplizierten und manchmal leicht naiven Art und Weise für die Lichtblicke in dieser melancholischen Geschichte und bei Robert, Lorena und Alexia ist es die geheimnisvolle Aura, die diese Jugendlichen umgibt und sie interessant macht.

FAZIT

Ein atmosphärisch dichter Roman mit Tiefgang und einer flüssigen und bildhaften Sprache, der auch mit seiner bis ins kleinste Detail durchdachten Aufmachung überzeugen kann. Wo jeder Leser diese Geschichte für sich einordnet, wird letztendlich davon abhängen, welchen Bezug er selbst zu solchen Themen wie Tod, Trauer, Melancholie und Schuldgefühlen hat. Der angebliche Hype, den dieses Buch in der Heimat des Autors ausgelöst haben soll, ist jedoch nicht nachzuvollziehen.
Obwohl dieses Buch der Auftakt zu einer Serie ist, kann es als eigenständiger Roman gelesen werden.

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