Filmriss

  • Ravensburger, 2010, Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
9101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJan 2012

Ich kann jederzeit damit aufhören!

Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Ich kann jederzeit damit aufhören!"

Sie sind jung und sie wollen Spaß haben: Die Ausgangslage zu "Filmriss" ist eine klassische Situation, wie sie wohl jeder Teenager selber schon erlebt hat. Es findet sich eine verschworene Clique zusammen, man entdeckt einen Ort, an dem man ungestört feiern kann – und irgendwer bringt Alkohol mit. Birte erlebt ihren ersten Rausch. An der Seite von Marlon, der sich tatsächlich für sie, die unscheinbare Birte, entschieden hat und dafür auf die schillernde Frieda verzichtet, scheint alles so leicht. Was macht es da schon aus, die Kontrolle zu verlieren? Nie wieder! Das schwört sich Birte, als sie tags darauf mit einem Kater erwacht. Ein Schwur, der nur bis zum nächsten Treffen mit der Clique reicht. Denn Marlon will mit Birte feiern und findet, sie solle die Abstinenz auf das nächste Mal verschieben. Und weil Birte Marlon liebt, macht sie mit…

Keiner der Jugendlichen in Olaf Büttners Roman "Filmriss" will abhängig werden. Und keiner erkennt, dass er auf dem besten Weg dazu ist. "Ich kann jederzeit damit aufhören", sind die jungen Leute von ihrer eigenen Kraft überzeugt und schaffen es dennoch nicht, einen Abend lang trocken zu bleiben, wenn sie mit der Clique unterwegs sind. Schonungslos enttarnt der Autor in seinem Roman die Mechanismen, die schon seit Generationen gleich sind und auf deren Grundlage Abhängigkeit entsteht, sei es nun von Drogen, von Alkohol oder auch von Nikotin. Olaf Büttner hat ins Zentrum seines Romans den Alkohol gerückt. Über die coole, schräge Frieda, die aus Berlin in die Provinz gekommen ist, weiß die Clique, dass dort ganz andere Dinge genommen werden, als nur ein wenig Alkohol. Es ist quasi die Rechtfertigung für den Griff zur Flasche. Schließlich hat man mit Drogen hier nichts am Hut.

Gerade weil dieser Roman sehr dicht an den Jugendlichen bleibt und all die Gedanken und gegenseitigen Ermunterungen, Beteuerungen und Gefühle spiegelt, ist er ein starkes Plädoyer gegen die Abhängigkeit. Der Autor hebt dafür nicht den Mahnfinger und hält eine Strafpredigt aus Sicht von Erwachsenen. Er lässt die jungen Menschen handeln und schafft dadurch Nähe zu den Leserinnen und Lesern. Die Situation, in der Birte, Marlon, Frieda und all die anderen stecken, könnte so überall anzutreffen sein. Langeweile und der Wunsch, nicht abseits zu stehen,  führen zu einem gedankenlosen Umgang mit dem Alkohol. Zwar wird von außen mühelos sichtbar, wo es beginnt, schief zu laufen und wie sich die Katastrophe langsam aufbaut, doch macht der Autor ebenso deutlich, dass die jungen Leute, die in der Situation selber stecken, weit von dieser Einsicht entfernt sind. Er lässt all die Komponenten zusammen laufen, die in einer Clique kollektives Handeln auslösen.

Selbst als einer aus der Clique an einer Alkoholvergiftung vorbei schrammt, gibt es keine Einsicht. Weder beim Betroffenen selber noch bei den anderen. Sie wollen sich mit der Situation nicht auseinandersetzen. Geschickt setzt Olaf Büttner in Szene, was die Jugendlichen dazu bewegt, an ihrer Gewohnheit festzuhalten und alle Warnungen zu ignorieren. Selbst Birte, die nach einer Eröffnung ihres Vaters über den Tod der Mutter massiv aus der Bahn geworfen wird, schafft es nicht, sich zu entziehen. Und hier beweist der Autor ein weiteres Mal eine gute Beobachtungsgabe. Er lässt weder Heldin noch Held auftreten, sondern präsentiert jeden einzelnen Protagonisten so, wie er als Jugendlicher von nebenan auch wahrgenommen würde: Als einen jungen Menschen auf der Suche nach seiner Identität, geleitet von Gefühlen und Träumen.

FAZIT

"Filmriss" überzeugt nicht vornehmlich durch spektakuläre Höhepunkte, wobei es solche durchaus gibt, sondern durch die sichtbar gewordenen Mechanismen, die zu Beginn einer Abhängigkeit stehen. Ob der Roman allerdings  einen jungen Menschen, der bereits in einer solchen Spirale drin steckt, zur Umkehr bewegen kann, ist fraglich. Sicher kann er jedoch junge Menschen, die noch nicht in der Spirale stecken, sensibilisieren. Der Roman ist ein eindrückliches Dokument, das sich nicht nur an Jugendliche richtet, sondern auch Erwachsenen, die mit Jugendlichen zu tun haben, zu denken geben sollte.

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