Warum so steif und umständlich?
Nachdem die Menschheit vor vielen Jahren kurz vor dem Aussterben stand, hat sie eine neue Überlebensstrategie gefunden. Angelehnt an die Organisation des Bienenstocks hat jede*r besondere Pflichten zu erfüllen und wird allein davon definiert. Es gibt die Arbeiter*innen, die Wächer*innen und selbstverständlich auch die herrschende Klasse. Arenite gehört seit ihrer Geburt zu den Wächtern und hat immer hart trainiert, um die von ihr zu beschützende Euphemia aus königlichem Geblüt vor allen Gefahren zu beschützen. Aber sie konnte die Katastrophe nicht verhindern. Bei einem heimtückischen Anschlag wurde ihr Schützling ermordet.
Im "Hive" ist so etwas unerhört, wurden doch zwischen Wächtern und dem Adel besondere Bande geschaffen. Unzerstörbare Bande - wie man immer dachte. Schnell bildet sich die Meinung, dass Arenite gegen die uralten Gesetze verstoßen und ihrem Schützling selber Schaden zufügte. Für dieses Verbrechen kann nur die Todesstrafe verhängt werden! Arenite droht zu verzweifeln, aber da kommt Hilfe aus einer ungeahnten Richtung: Nikolos, ein junger Mann aus königlichem Geblüt, kommt ihr unerwartet zu Hilfe. Aber was sollen die beiden schon gegen ein Heer von alten Traditionen und vorgefertigten Meinungen ausrichten?
Von Bienen und Menschen
Eine Menschheit, die vor dem Aussterben steht, welche Lebensformen könnte sie versuchen zu imitieren, um so ihr Überleben zu sichern? Neu und spannend wäre sicher die Frage eines Bienenstocks. In seinem ganzen Gewimmel ist er dennoch gut organisiert und alles funktioniert. Natürlich dürfte jedem klar sein, dass die Regierungsform der Demokratie hier wohl kaum gefragt ist. Andererseits müssen Bienen aber auch nicht ständig über alles und jedes abstimmen und so dürfte die Frage der politischen Form eher eine Nachrangige sein. Dennoch sollte eines auch nicht vergessen werden: Auch die hübschen, kleinen Bienchen müssen manchmal recht brutal durchgreifen, um das Überleben des Stocks zu sichern.
In ihrem ersten Roman widmet sich die Autorin Anna February der Frage, wie menschliches Überleben in dieser neuen Form aussehen könnte. Hier könnten sich sicherlich viele neue, spannende Aspekte eröffnen. Unglücklicherweise hat die Autorin vor diese Fragen ein kompliziertes Bild der neuen Gesellschaft gesetzt. Da sind die beiden Königinnen mit ihren jeweiligen Familienmitgliedern und einer Vielzahl komplizierter Namen und als ob dem nicht genug wäre, kommen noch deren "Schilde" (Wächter) mit ähnlichen unaussprechlichen Namen dazu. Dann gibt es noch besondere Berater mit - richtig! - komplizierten Namen und ein wenig einfacher wird es erst, wenn sich der Roman auf die unteren Ebenen der einfachen Diener begibt. Offensichtlich hatte die Autorin aber schon die Schwierigkeiten beim Lesen erahnt und ein "Organigram" erstellt. Mir half es allerdings nur gelegentlich und hauptsächlich fragte ich mich, warum man die Handlung und die große Personenzahl mit schwierigen Namen nicht einfacher gestaltete.
Hummeln sind die mit den vielen Haaren, Bienen sind die mit dem Honig
Neben diesen Grundvoraussetzungen des Romans und den Fragen, wer welche Rollen auszufüllen hat, erzählt Anna February, einen Krimi zu dem Thema, wer denn tatsächlich die junge Euphemia und alsbald auch noch andere Mitglieder der königlichen Familie ermordete. Ehrlich gesagt, ließ mich diese Frage zu Beginn des Romans recht gelassen, schuf doch die Autorin ein so starkes Bild vom Bienenstock, dass man tatsächlich zu Anfang zu der Einschätzung kommen könnte, die Helden des Romans atmeten tatsächlich durch Tracheen. Das würde mich aber relativ wenig beeindrucken - auch wenn ich die kleinen Bienchen schon mag. Aber es sind doch so viele und eine sieht aus wie die andere. Erst mit dem Fortschritt des Romans kommen bessere menschliche Eigenschaften zum Tragen und damit auch ein größeres Interesse an der Frage, wer denn die Morde begangen haben könnte. Generell muss man bei dem "Hive" festhalten, dass der/die Leser*in Geduld braucht, um richtig in die Tiefe der Erzählung vorzudringen. Ob die alle Leser*innen tatsächlich aufbringen - das kann ich schlecht beurteilen.
Dennoch wird die Suche nach dem Mörder der "Königskinder" wegen der vielen auftretenden Personen und der steifen Sprache nicht besonders zielorientiert vorwärtsgetrieben. Mich hätte aber überhaupt viel mehr interessiert, ob es auch noch andere Lebensformen außer denen im "Bienenstock" gibt und wie diese dann zurechtkommen. Die Autorin hat zu diesen Fragen dann auch einige Andeutungen gemacht - so richtig wird die Frage aber dennoch nicht geklärt. Bei diesem Punkt spielten Insekten aber auch noch eine wichtige Rolle, werden doch einige kleine Zuwanderer gefunden und geben Hoffnung darauf, dass außerhalb des Stocks noch Leben existiert. Hier konnte ich mich allerdings des Eindrucks nicht verwehren, dass Frau February nicht so richtig weiß, was denn eine Biene und eine Hummel ausmacht und wie sich deren Lifestyle maßgeblich unterscheidet. Selbstverständlich nehme ich gerne den Ehrentitel der "Erbsenzählerin" an, aber wenn man schon die kleinen Insekten zum Bestandteil seines Buches macht, dann sollte man doch einiges über sie wissen. Andererseits - wenn wir denn schon einmal bei Blümchen und Bienchen sind: Ich fand die zart angedeutete Liebesgeschichte des Romans sehr hübsch und hätte dazu noch gerne etwas mehr gelesen.
Fazit
Anna February erzählt von Morden im Bienenstock, der eigentlich gar kein richtiger Bienenstock, sondern eine neue Form des Überlebens darstellt. Mit dieser neuen Form des Überlebens hätte sie eine spannende, mitreißende Geschichte erzählen können, aber leider ist das nicht gelungen.



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