The Lesbiana's Guide To Catholic School

  • Karibu
  • Erschienen: April 2025
  • 0

übersetzt von Ingo Herzke; Broschur, 382 Seiten

ISBN: 9783961294640

Wertung wird geladen
Theresa Mürmann
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJul 2025

Dieser Coming-of-Age-Roman möchte ein bisschen zu viel von allem

Für Yamilet („Yami“) fängt gewissermaßen ein neues Leben an, denn ab sofort werden sie und ihr hochbegabter Bruder Cesar die Slayton Catholic School in Phoenix besuchen. Allein die Tatsache, dass ihre neuen Mitschülerinnen und Mitschüler fast alle weiß sind, hätte schon gereicht. Doch es gibt noch etwas, das Yami Kopfschmerzen bereitet: Sie ist lesbisch. Bisher wissen nur eine Handvoll Leute davon und das soll auch so bleiben. Allerdings gibt es ein Problem: An ihrer neuen Schule gibt es genau ein lesbisches Mädchen, Bo. Und Bo ist einfach umwerfend…

Ihr Entschluss, auf alle anderen möglichst hetero zu wirken, gerät durch diese Schwärmerei leider etwas ins Wanken. Neben all dem Gefühlschaos geht dann auch noch zuhause alles drunter und drüber. Cesar scheint ein großes Geheimnis zu bewahren, ihre Mutter ist von all der Arbeit und ihrer ständigen Sorge um Cesar vollkommen gestresst und Yami versucht, neben den vielen Hausaufgaben noch ein bisschen Geld zu verdienen. Irgendwann wird der Strudel aus gelüfteten Geheimnissen, Outing-Fragen und Schmetterlingen im Bauch so wild, dass Yami befürchtet, dem Druck nicht mehr lange standhalten zu können…

„Ich schulde niemandem die Wahrheit und ich werde mir verdammt noch mal so viel Zeit damit lassen, wie ich brauche.“

Die US-amerikanische Autorin Sonora Reyes beschäftigt sich in ihren Geschichten am liebsten mit queeren und lateinamerikanischen Charakteren. Nicht zuletzt, weil sie selbst eine queere Einwanderin in zweiter Generation ist. Mit diesem Jugendbuch hat sie sich eine ganz Agenda an wichtigen Themen vorgenommen. Kulturelle und sexuelle Identität, Alltagsrassismus, Queerfeindlichkeit, psychische Gesundheit sind dabei nur eine Auswahl. Keine leichte Aufgabe, diese alle gleichermaßen tiefgründig zu bearbeiten. Der Schreibstil ist durchgehend humorvoll und erfrischend. Viele noch so ernste Situationen werden in der Regel mit einem kleinen Augenzwinkern betrachtet. Das gibt der Story eine gewisse Leichtigkeit, wirkt an manchen Stellen aber auch etwas unpassend. Grundsätzlich betrachtet man die Welt aber sehr gerne aus Yamis ungeschönter, leicht ironischer Sicht.

Das Thema Outing nimmt einen großen Teil der Handlung ein. Yami fürchtet sich nicht nur vor den Reaktionen an ihrer neuen Schule, sondern rechnet auch fest mit der Ablehnung durch ihre gesamte Familie. Als sich herausstellt, dass ihr Bruder Cesar bisexuell ist, sorgt das für eine gewisse Ironie. Gleichzeitig nimmt es der Story meiner Meinung nach ein Stück Authentizität, da die Situation eher konstruiert wirkt. Yamis Mutter tritt als strenge, religiöse Frau auf, die die Homosexualität ihrer Kinder scheinbar niemals akzeptieren würde. Daher bemühen sich Yami und Cesar, ihre sexuelle Identität vor ihr geheim zu halten. Ihr Vater lebt nach seiner Abschiebung vor ein paar Jahren allein in Mexiko, was der engen Beziehung zwischen seiner Familie zwar keinen Abbruch tut, aber natürlich eine Lücke in das Miteinander gerissen hat. Kleiner Spoiler: Die Entwicklung der beiden Elternteile, so viel vorweg, ist gerade in Bezug auf den Outing-Aspekt verwirrend und ein Stück weit unglaubwürdig. Ebenfalls schade: Obwohl die Message vertreten wird, dass man niemandem ein Outing schuldet, geht es am Ende doch um den großen Prom-Antrag vor der ganzen Schule.

„Nein, ich meine, ähm, also, dein Akzent. Wo kommst du wirklich her?“

Sehr positiv hervorzuheben ist die Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Identität. Yami spürt ihre mexikanischen Wurzeln über die Sprache, das Essen, Tänze und Musik. Bo dagegen wurde adoptiert. Auch wenn ihre Eltern viel Wert auf die Verbindung zur chinesischen Kultur legen, wirkt es auf Bo eher künstlich herbeigeführt. An der Slayton Catholic School sind sie in der Minderheit. In kleinen Gesten, Aussagen und Fragen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler spiegelt sich immer wieder unterschwelliger oder offener Alltagsrassismus. Es ist traurig und erschreckend zu lesen, wie sehr sich Yami schon daran gewöhnt hat. Fast schon nebenbei wird von grundlosen Abschiebungen und Gewalt gegen People of Color erzählt.

Von Anfang bis Ende scheint Yami Armbänder zu knüpfen. Aber nicht als Hobby, denn es ist ihr Nebenjob. Ihre Mutter ist Profi in dem Handwerk und Yami entdeckt das Managen ihres Etsy-Shops für sich. Bis in die Nacht fädelt sie Perlen auf und verknotet Freundschaftsarmbänder. Trotz aller Anstrengungen beschwert sich Yami nicht. Erst durch ihre neuen Freundinnen an der Slayton realisiert sie, dass andere nicht so hart arbeiten müssen wie sie.

Ein großer Sympathieträger ist Yamis Bruder Cesar, der scheinbar immer gute Laune und einen Witz auf Lager hat. Dass sich hinter dieser Fassade etwas ganz anderes verbirgt, deutet sich zunehmend an. Die Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen findet glücklicherweise immer häufiger Eingang in zahlreiche Jugendbücher. In diesem Fall halte ich sie jedoch für wenig gelungen: Zu leichtfertig wird mit dem Thema Suizidgedanken umgegangen. Ein kurzer Klinikaufenthalt, ein bisschen Family-Feeling und eine gerettete Liebe - dann sind die düsteren Gedanken scheinbar passé. Meines Erachtens hätte die psychische Gesundheit auch auf anderem Wege hin die Handlung eingeflochten werden können.

Und dann ist da noch die Sache mit der Liebe. Die Tatsache, dass Yami und Bo aufeinander stehen, ist von Anfang an klar. Eine Story lebt von ihrem Spannungsbogen, den Höhen und Tiefen auf dem Weg zum erhofften Happy End. Schwierig wird es, wenn keine wirkliche Spannung aufkommt. Die Liebesgeschichte gleicht eher einem plätschernden Bach. Besonders in der Mitte des Romans kommen einige Längen auf, die das Lesen etwas zäh machen. In Kombination mit den anderen Themen werden dennoch wichtige Akzente gesetzt.

Fazit

Diese Geschichte will sehr viel und überzeugt auch in vielerlei Hinsicht. Einige Handlungsstränge hätten weglassen werden können, um dafür anderen mehr Tiefgründigkeit zu verleihen. Dennoch ein lesenswerter Corming-of-Age-Roman.

The Lesbiana's Guide To Catholic School

Sonora Reyes, Karibu

The Lesbiana's Guide To Catholic School

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »The Lesbiana's Guide To Catholic School«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

LGBT
in der Jugendliteratur

Alljährlich wird im Juni der Pride Month gefeiert, um die Vielfalt unserer Gesellschaft hervorzuheben. Weltweit erheben Schwule, Lesben, Transgender, Bisexuelle und Menschen anderer sexueller Orientierungen ihre Stimme für Toleranz und stärken so die Gemeinschaft. LGBTQ+ ist schon lange kein Randthema mehr in der Jugendliteratur, sondern ein zentraler Aspekt zahlreicher Neuerscheinungen.

mehr erfahren