The Last One

  • Loewe
  • Erschienen: April 2025
  • 0

übersetzt von Marion Herbert und Melanie Fricke; Hardcover, 656 Seiten

ISBN: 9783743221161

The Last One
The Last One
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Theresa Mürmann
6101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJun 2025

Weniger Blutvergießen und tödliche Kämpfe hätten zu mehr Spannung beigetragen

Es klingt verrückt, aber Kai scheint einfach vom Himmel gefallen zu sein. Mitten im Wald kommt sie zu sich, als eine Diebin im Begriff ist, ihr Amulett zu klauen. Kai weiß zwar nicht, woher sie kommt oder wer sie ist, aber das lässt sie sich nicht bieten. Sie verfolgt die Diebin, Olivia, bis zu deren Heimatdorf Maford. Die Bewohnerinnen und Bewohner machen jedoch keine Anstalten, Kai zu helfen. Vielmehr sind sie erschrocken über deren Körpergröße und Aussehen. Nur knapp kann Kai einer Inhaftierung entgehen. Nicht zuletzt, weil der junge und gutaussehende Schmied Jadon ein Wort für sie einlegt. Kai kann vorerst bei ihm und seiner Schwester, tatsächlich ist diese Olivia, unterkommen.

In den folgenden Tagen und Wochen setzen sich nach und nach kleine Puzzleteile aus Kais Vergangenheit zusammen. Alles deutet daraufhin, dass sie kein gewöhnlicher Mensch ist. Gemeinsam mit Jadon und Olivia macht sie sich auf den Weg durch das Reich Vallendor, um den Grund für ihre scheinbar magischen Kräfte zu erfahren. Die Wahrheit über ihre Bedeutung für das Reich raubt ihr den Atem. Sie ist froh, dass Jadon immer an ihrer Seite ist. Er ist mehr als ein Freund, die Gefühle für ihn kann Kai nicht mehr leugnen. Aber kann sie Jadon wirklich vertrauen?

Auf der Suche nach Sympathiepunkten

Wer auf einen schönen Romantasy-Schmöker mit ein bisschen Spannung hofft, der ist hier definitiv falsch. Kitsch und Schmetterlinge im Bauch sind in der düsteren Welt von Vallendor eher fehl am Platze. Hier geht es schlichtweg ums Überleben. Auf der zwischenmenschlichen Ebene stehen Misstrauen, raue Dialoge und Beleidigungen auf der Tagesordnung. Krankheiten, Kämpfe für oder gegen den umstrittenen Kaiser Wake und die Abwehr monsterähnlicher Kreaturen bestimmen den Alltag der Menschen.

Die Ausgangslage der Handlung ist durchaus ansprechend. Gemeinsam mit Kai begibt man sich auf die Suche nach ihrer Identität und lernt die detailreiche Fantasywelt durch ihre Augen Stück für Stück kennen. Doch so richtig kann der Funke nicht überspringen, da die Verbindung zur Protagonistin insgesamt fehlt. Kai ist sehr impulsiv, sprunghaft und jähzornig. In den zahlreichen Kämpfen tritt sie grausam, brutal und erbarmungslos auf. Das Töten von Soldaten und außerweltlichen Kreaturen scheint sie kaum zu bewegen. Viele Szenen dieser Art wirken wie ein einziges Abschlachten. Insgesamt durchläuft ihr Charakter trotz der stolzen 656 Seiten keine nachhaltige Entwicklung und bleibt weitestgehend unnahbar.

Als „Strangers-to-Lovers“-Story beworben, überrascht es nicht allzu sehr, dass sich Kai und Jadon schnell zueinander hingezogen fühlen. Auf intimer Ebene passiert lange Zeit nichts, da eine Beziehung aufgrund von Kais unklarer Vergangenheit immer wieder infrage gestellt wird. Als Alternative soll wohl der wiederkehrende Dirty Talk zwischen den beiden fungieren. Dieser wirkt leider ziemlich aufgesetzt und gewollt. Wie auch die Story selbst plätschert die Liebesgeschichte insgesamt eher vor sich hin. In einer so umfangreichen Geschichte die Spannung dauerhaft hochzuhalten, wäre schon eine Kunst. Hier sind es aber tatsächlich zu viele Längen, die das Lesen stellenweise sehr zäh machen.

Eine Reise durch das Reich Vallendor

Sehr gut gelungen ist jedoch das komplexe Worldbuilding. Mit ihrer Reise durch Vallendor offenbart sich ein vielseitiges und ausgeklügeltes Setting. Dreh- und Angelpunkt sind dabei immer wieder schaurige Wesen wie Otaane, Battabys oder Sunabi. Eine Schlange verspeist kurzerhand genüsslich zwei Menschen. Abgetrennte Körperteile, durchgeschnittene Kehlen und andere grausame Tode prägen die Kämpfe zwischen Kais Gruppe und den Anhängern des umstrittenen Kaisers Wake. Wer mit blutrünstigen Schilderungen dieser Art vertraut ist, wird vermutlich besser damit umgehen können. Weniger Brutalität und mehr Reflexion des eigenen Handelns hätten für eine charakterliche Komplexität und Stärke sowie einen größeren Spannungsbogen gesorgt.

Geschickt werden jedoch immer wieder Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Loyalität einzelner Figuren gesät. Wem kann Kai wirklich vertrauen? Kann sie sich überhaupt selbst über den Weg trauen? Nach und nach werden Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit gelüftet. Bis zum letzten Drittel kommt man, was die Hintergründe und Verbindungen angeht, gut mit. Ab einem bestimmten Punkt muss meines Erachtens schon sehr konzentriert gelesen werden, um alle Zusammenhänge zu erfassen. Wer dranbleiben möchte, darf sich bald an den sicherlich ebenfalls umfangreichen zweiten Band der Dilogie wagen.

Fazit

Ein Fantasyschmöker, der mit seinem großen Potential nicht ganz umzugehen weiß. Leider bleiben die Figuren allesamt unnahbar, besonders Kai in ihrer Hauptrolle. Für das Finale gibt es eindeutig Luft nach oben.

The Last One

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