In seiner Schwere und Sprachlosigkeit sehr eindrücklich
Emmys Welt steht still, als ihre Schwester Beth sich das Leben nimmt. Beth, die mit ihrer Band in der ganzen Welt als Lizzie Beck bekannt ist, ein Superstar, berühmt und gefeiert. Emmy hat Beth sehr geliebt, sie war ihr Vorbild auch in musikalischer Hinsicht. Die beiden Schwestern waren trotz des Altersunterschiedes ein tolles Team. Doch jetzt ist alles vorbei. In Emmys Kopf ist alles schwarz. Sie liest die Kommentare im Netz, die abfällig sind und Lizzie Beck verhöhnen und beleidigen. Sie liest die Nachrufe und ist überwältigt von deren Verlogenheit. Vor allem die Reaktion von Beths Bandkolleginnen treiben sie zur Weißglut. Die öffentlich bekundete Trauer scheint nur dazu da zu sein, sich selbst gut zu vermarkten.
„Sie hieß Beth“ – das ist der Gedanke, der sich in Emmys Kopf dreht und dreht, denn Beth war für sie nicht die Kunstfigur Lizzie Beck: frech, aufmüpfig ,sexy und immer auf der Überholspur. Partys und Drogen und zweimal in der Entzugsklinik. Und während für Emmy die Welt untergeht, muss sie sich fragen, wer ihre Schwester eigentlich war. Und wir gut sie sie eigentlich kannte.
„Als ich nach Hause komme, sitzt Mum am Küchentisch und starrt ins Leere.“
In einer Art Tagebuch erzählt dieser Roman jeden Tag vom Weiterleben nach dem Unfassbaren. Tag für Tag sieht man in Emmys Kopf, die versucht, das Geschehene irgendwie zu begreifen, den Schmerz zu ertragen. Jedes Kapitel erzählt, wie sie mit dem Entsetzen und der Leere umgeht. In ihrer Trauer erinnert sich Emmy an so viele Dinge, die sie mit Beth erlebt hat. Als LeserIn nähert man sich auf diese Weise sowohl der lebenden Lizzie Beck und auch Beth an und beginnt zu verstehen, welcher Mensch sie war, wie zerrissen und kaputt, aber auch wie verletzlich und liebevoll ihrer kleinen Schwester gegenüber.
Emmys Trauer macht sie hart. Sie fühlt sich leer, weist alle zurück, blockt alle Kontakte ab. Ihre Mutter spricht kaum mit ihr. Sie ist selbst gefangen in ihrer Trauer und ihr Vater – Manager von Lizzie Beck -scheint zum Alltag und zum Musik Business zurückzukehren als ob nichts wäre; doch Emmys Trauer und Wut werden immer größer, und die Hetzjagd in den sozialen Medien ist für sie unerträglich, und so gerät sie in einen Strudel aus Ereignissen und vertraut dabei den falschen Menschen.
„86 Tage ohne sie – alles, was ich je wollte“
Das Besondere an diesem Roman ist der Erzählstil. Jedes Kapitel schildert Emmys Gedanken oder zeigt ihre Chat-Verläufe mit Freunden oder die Kommentarspalten bei Social Media. Das macht das Lesen so intensiv, dass man das Gefühl hat, neben Emmy zu sitzen. Die Seiten sind zudem besonders in ihrer Schrift illustriert, so unterstützt die Schriftart und Größe die Stimmung und Gedanken von Emmy. „Wohin das Licht flieht“ ist ein ganz einzigartiges und besonderes Buch. Schonungslos erzählt es von dem Horror, den Emmy durchmachen muss. Nicht nur, dass sie ihre große Schwester und ihr Vorbild verloren hat. Sie muss auf Social Media auch noch lesen, wie viel Dreck und Lügen über sie verbreitet werden. Dass Trauer verschiedene Facetten hat, zeigt dieser Roman auf eindrückliche Weise – Emmy richtet sich selbst damit fast zu Grunde, weil sie sich von allen abwendet und die Sprachlosigkeit ihre Einsamkeit so groß werden lässt.
Fazit
Ein absolut tolles und eindrückliches Buch, dass die Schwere und Sprachlosigkeit von Trauer und die zerstörerische Kraft von Social Media schonungslos erzählt.
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