Kann ein Krieg überhaupt "gut" sein?
Ironville gehört zu den Orten der USA, die so ein wenig vergessen wurden. Seitdem das namensgebende Stahlwerk seine Tore geschlossen hat, ist es immer weiter abwärts gegangen und viele sind von hier weggezogen. Natürlich merkt man das auch an der Ironville Middle Schol, denn hier wird die Football-Sparte geschlossen. Immerhin - mit einem staatlichen Zuschussprogramm ist es dem engagierten Schüler Caleb gelungen, topmoderne Gaming-Rechner zu bekommen. Jetzt soll der neu eingeführte „E-Sport“ die Schüler für ein neues Tätigkeitsfeld begeistern - eine tolle Sache, denn man braucht ja weder eine Sporthalle noch Trainer und alles findet am Rechner statt. Schnell haben sich zwei Mannschaften gebildet, die sich im Kriegsspiel „The Good War“ erbittert bekämpfen. Dieses Spiel basiert auf den Schlachten des Zweiten Weltkrieges und gibt Raum für zwei Mannschaften - nämlich die „Aliierten“ (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland) und die Achsenmächte (Japan, Deutschland, Italien). Grundsätzlich sollte man jetzt denken, dass die Rolle der „Achsenmächte“ wesentlich weniger begehrt sein sollte. Aber hier passiert Unglaubliches: Je weiter das Spiel fortschreitet, umso mehr scheint sich dessen Team für diese Gruppe zu begeistern und das bezieht sich nicht nur auf das Spiel...
Stark beim Thema "Mobbing" und "Radikalisierung"
Morton Rhue, der eigentlich Todd Strasser heißt, gehört in den USA zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren. Viele von uns kennen ihn vermutlich durch seinen berühmten Roman „Die Welle“, der anschaulich und erlebbar beschrieb, wie schnell sich eine faschistische Gruppierung bilden kann. In seinem neuen Roman „The Good War“ erzählt er anhand einer Gruppe von Schülern eine ähnliche Geschichte.
Vorgestellt werden insbesondere Caleb, Zach, Emma und Nathan, die im Spiel die Rolle der Alliierten übernehmen. Auf ihnen ruht das Hauptaugenmerk des Romans. Rhue erzählt aber auch aus dem Leben der gegnerischen Spieler Crosby, Tyler, Mackenzie und Gavin. Natürlich kann das bei einem recht schmalen Bändchen von 218 Seiten nicht sonderlich tiefgründig gelingen, aber durch die verschiedenen Blickwinkel und Lebenssituationen der einzelnen Personen entsteht ein lebendiges Bild auf das amerikanische Schulsystem und insbesondere auch auf das gut beschriebene Thema Mobbing. Sehr gut dargestellt ist auch, wie Crosby - aus der Gruppe der Achsenmächte - der das Spiel auch in seiner Freizeit spielt, durch die geschickten Kommentare und die subtile Hetze eines anderen Mitspielers langsam, aber sicher radikalisiert wird und in die rechte Ecke abdriftet.
Der Roman passt möglicherweise in die USA
Von diesen guten Punkten abgesehen, hatte ich aber mit dem Buch so meine Schwierigkeiten. Das begann damit, dass sich mir nicht erschloss, warum eine wichtige Abteilung im Schulsport geschlossen und durch ein Computer-Spielgruppe ersetzt werden sollte. Schwierig für deutsche LeserInnen ist auch der Umgang mit Abzeichen und Parolen aus der Zeit des Dritten Reiches, die hier in Deutschland - mit Recht! - verboten sind. Für mich wäre es daher absolut unvorstellbar, dass eine quasi uniformierte Gruppe mit militärischen Abzeichen durch eine Schule zieht und das auch erst als kleineres Übel empfunden wird, nachdem sie eine andere Uniform, mit einem Zeichen, das klar an eine SS-Rune erinnerte, abgelegt haben. Undenkbar wäre hier auch das Präsentieren des sogenannten „Deutschen Grußes“ und überhaupt stieß ich mich gewaltig an der Grundidee, dass an einer Schule - wenn auch unter Aufsicht einer Lehrerin - ein Kriegs- und Ballerspiel zum tatsächlichen Lehrprogramm gehören sollte. Spannend fand ich eingangs die Frage, ob die Gruppe der Aliierten, die ja generell als die „Guten“ empfunden wird, sich überhaupt mit diesem Krieg identifizieren konnte. Denn wenn ja auch sicher ein gerechtes Ziel verfolgt wurde, konnte auch dieses nur mit Blut, Schmerz und Tränen erreicht werden. Diese Frage stellt sich im Roman aber erst gar nicht.
Fazit
Ausnahmsweise möchte ich hier nicht einmal mit meinen eigenen Worten schließen, sondern mit einem Zitat aus dem Roman: „Ich finde es unglaublich verstörend, dass jemand ein Spiel daraus macht. Und es dann auch noch "The Good War" nennt. Haben die Leute vergessen, was während des Zweiten Weltkriegs passiert ist?“ Das würde ich mich allerdings fragen, wenn ein solches Spiel hier zum tatsächlichen Programm einer Schule gehören würde.

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