Sturmflirren

  • cbj
  • Erschienen: Oktober 2024
  • 1

Broschur, 320 Seiten

ISBN: 9783570167038

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Theresa Mürmann
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonDez 2024

Ein Roman, der vorhersehbar erscheint und dann doch überrascht

Für Rea läuft gerade gar nichts rund: Seit einiger Zeit fühlt sie extreme Momente der Angst, ihr Freund Leo ist nur an ihrem Körper interessiert und obendrein wird ihr Vater in die deutsche Botschaft nach Katar einberufen. Ein Umzug nach Doha, Rea kann es nicht glauben. Zu guter Letzt streitet sie sich auch noch mit ihrer besten Freundin Mira und hinterlässt in München damit gewissermaßen einen Scherbenhaufen.

Doha hält, was Rea im Vorfeld vermutet hat: Es ist heiß, wahnsinnig heiß, und sie hat große Schwierigkeiten Bekanntschaften zu machen. Doch eine Begegnung stellt alles auf den Kopf. Wie aus dem Nichts steht plötzlich Shabah vor ihr. Shabah, das Phantom, der Mädchenschwarm. Immer wieder laufen sie sich in den nächsten Wochen über den Weg, doch Shabah hält stets eine gewisse Distanz. Denn er verbirgt ein Geheimnis, das gefährlicher nicht sein könnte.

Weniger ist manchmal wirklich mehr

Von Japan nach Katar - so geht es auf Yasmin Shakaramis Bücherreise weiter. Während der Erfolgsroman „Tokioregen“ in eben dieser Metropole spielte, wechseln wir nun in den arabischen Kulturkreis. Tatsächlich ist die katarische Hauptstadt Doha ein eher ungewöhnliches Setting für hiesige Jugendromane. Beim Anblick des Covers hat man bereits das Gefühl, den Wüstensand förmlich spüren zu können.

Für die Protagonistin Rea ist der Umzug nach Doha ein riesiger Schock. Aber warum eigentlich? Und hier sind wir leider bei einem ersten Kritikpunkt: Immerhin dürfte die Einberufung ihres Vaters als Botschafter nicht wahnsinnig überraschend gewesen sein. Und Reas erste Frage, ob „Doha“ ein Geschäft sei, wirkt ziemlich naiv. Wahrscheinlich lässt gerade dieser Wesenszug, der nicht selten auch ins Überhebliche umschlägt, Rea zunächst als wenig sympathisch dastehen. Unwissendes Geplapper sowie jede Menge Vorurteile, auch gegenüber Muslimen, sind als Ausgangspunkt einer extremen Charakterentwicklung gedacht, lassen aber gerade diese dadurch sehr unglaubwürdig erscheinen. Zumal es sehr unwahrscheinlich ist, dass Rea angesichts ihres familiären Hintergrunds so wenig über Katar zu wissen scheint. Darüber hinaus stolpert man beim Lesen hier und da über den humoristischen Schreibstil, der bisweilen auch etwas too much ist.

Aber, und das ist hier wirklich groß, es wird besser: Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem sich Rea mit ihrer neuen Situation arrangiert hat, sie sich auf die arabische Kultur und die Menschen einlässt. Nicht nur das, sie wird ein Teil davon und lernt unglaubliche Frauen kennen, die mit einem solchen Kampfgeist für ihre Rechte einstehen, dass man nicht selten eine Gänsehaut bekommt. Allen voran Farah, die, man kann es nicht anders sagen, übertrieben reich und von einer Aura der Unnahbarkeit umgeben ist. Und obwohl auch ihre Figur in vielen Nuancen überzeichnet ist, könnte die Bewunderung für ihre feministische Haltung sowie den unstillbaren Drang nach Freiheit und Gleichberechtigung nicht größer sein.

Illegale Wüstenpartys und Autorennen, Tiger als Haustiere, Villen und Paläste - natürlich strotzen die Seiten nur so vor Geld und Luxus. Was sich hinter dieser Fassade verbirgt, kommt nach und nach zum Vorschein.

„Sein innerer Aufruhr, dieses rastlos Ungezähmte, das mit so viel Kraft gegen verborgene Widerstände schmettert; da ist etwas in ihm, das unbedingt befreit werden möchte, aber nicht frei sein darf.“

Als Rea auf Shabah trifft, wird sie sofort in seinen Bann gezogen. Plötzliches Auftauchen und wieder Verschwinden, das scheint seine Strategie zu sein. Vermutlich denkt man nun an eine Lovestory, in der es um eine unerwünschte Liebe angesichts der kulturellen Unterschiede geht. Aber dem ist mitnichten so. Es geht um viel, viel mehr, was hier nicht im Detail verraten werden darf. Rea wird bewusst, wie wertvoll die Freiheit der Liebe ist. Denn in Katar wird ihnen diese verwehrt. Mehr noch: Die Liebe zu Shabah bedeutet für diesen Lebensgefahr. Rea lernt, wie nah Glück und Angst beieinander liegen können und ein unachtsamer Moment ganze Leben zu zerstören vermag. Und so wird Reas Aufbruch nach Katar zu einer ungeheuer identitätsstiftenden Reise, auf der sie an Reife und Stärke gewinnt.

Fazit

Manchmal zu viel des Wortwitzes, aber in der Message glasklar. Ein Jugendroman der abseits der klassischen Schauplätze spielt und sich für die Freiheit und Gleichberechtigung von Frauen stark macht.

Sturmflirren

Yasmin Shakarami, cbj

Sturmflirren

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