You'd be Home Now

übersetzt von Maren Illinger; Broschur, 448 Seiten

ISBN: 9783737372992

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Sabine Bongenberg
9101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJun 2024

Wenn das Leben dir nur noch Fußtritte gibt...

Nach der Party hatten sie einfach nur mit ein paar Leuten nach Hause fahren wollen. Joey hatte mal wieder etwas genommen und konnte nicht mehr fahren; seine Schwester Emory wollte sich nach zwei Bier auch nicht mehr ans Steuer setzen. Also fuhr Luther und eigentlich hätte jeder wissen müssen, dass das keine gute Idee war. Candy hat auch noch gefleht, dass er doch bitte anhalten soll und sie aussteigen lässt. Genutzt hat es nichts. Jetzt ist Candy tot, Joey hat seinen ersten Drogenentzug hinter sich und Emory versucht es allen recht zu machen: Das ist nicht einfach, denn insbesondere ihre Mutter stellt hohe Anforderungen an sie. Sie soll in der Schule Spitzennoten bekommen, sie soll sich um ihren Bruder kümmern und natürlich auch noch das Musterbild des amerikanischen Teenagers abgeben. Emory fühlt sich zusehends überfordert. Mit 16 hat sie auch eigene Pläne und Träume und auch, wenn sie bisher immer versucht hat, allen Wünschen ihrer Mom nachzukommen, droht dieser Spagat sie langsam zu zerreißen.

Immer schwerer fällt es ihr, ihr Kartenhaus zu beschützen und weiter aufzubauen. Unweigerlich fällt irgendwann die erste Karte und schon beginnt alles einzustürzen...

Manchmal hatte ich das Gefühl, in diesem Haus nicht zu existieren.“

You'd be home now ist alles andere als eine einfache Lektüre. Kathleen Glasgow erzählt davon, wie sich die - nach außen wirkende - heile Familie der Wards langsam auflöst. Mutter und Vater Ward gehen beide ihren Berufen nach, die hohen Anforderungen an sie stellen und sie zeitlich sehr einbinden. Die drei Kinder scheinen sich mehr oder weniger selbst zu erziehen. Maddie, die Älteste, hübsch, begabt und erfolgreich, ist damit mehr oder weniger problemlos durchgesegelt. Sie studiert aber mittlerweile in einer anderen Stadt und somit ist sie als Hilfe weggebrochen. Joey der Mittlere tut sich in schulischen Sachen schwerer. Er fühlt sich nicht verstanden, nicht angenommen und rutscht nach einer Mutprobe in die Drogensucht, die den familiären Schutzwall endgültig einzureißen droht. Emory (oder Emmy), die hier als Ich-Erzählerin auftritt, ist die Jüngste der Familie. Natürlich könnte man denken, auch die Behütetste, aber sie ist diejenige, die versucht es allen recht zu machen und auf deren schmalen Schultern immer mehr abgeladen wird. Glasgow erzählt hier schlicht und berührend, wie Emmy sich neben der grandiosen Schwester und den Sorgen um den abhängigen Bruder als unsichtbar erlebt.

Wir erfahren von ihr dann auch vieles über ihre Familie, in der einiges alles andere als familiär zu geht. Wir lesen, wie der von seiner ersten Therapie zurückkehrende Joey unter kompletter Kontrolle der Familie gestellt werden soll. Regelrecht haarsträubend ist zu lesen, dass ihm die einfachste Privatsphäre verweigert wird und Mutter Abigail das Zuhause aller in einen gut überwachten Knast verwandeln will. Natürlich soll Emory als unfreiwillige Wächterin in dieses System mit eingebunden werden und niemanden scheint hier zu kümmern, dass eine 16jährige einer solchen Aufgabe nicht gewachsen sein kann. Das Mädchen trägt vielmehr seine eigenen Probleme mit sich herum. Lange Zeit versuchte sie ohnehin schon die wachsende Drogenabhängigkeit ihres Bruders zu vertuschen und rutschte somit in die klassische Co-Abhängigkeit. Zu interessieren scheint das aber niemanden und nirgendwo las ich, dass Emmy, die ja auch bei dem tödlichen Unfall mit dabei war, in irgendeiner Form therapiert wurde.

„Meine Eltern schicken Joey in die Entzugsklinik, dabei kann meine Mutter ohne ihre Tabletten nicht schlafen.“

Natürlich muss es bei diesen Konstellationen zur Katastrophe kommen. Emory erlebt, dass sie falschen Menschen vertraut hat, zu viel von sich erwartet hat und auch sicher nicht selbst um Hilfe gesucht hat. Sie erlebt schmerzhaft, wie das gut gehütete Kartenhaus zusammenbricht. Mit dem Tiefpunkt ihres Lebens erzählt Glasgow aber auch, dass nicht alles verloren ist, sofern sich die Beteiligten trauen nach Unterstützung zu fragen.

Mit diesem zweiten Teil ziehe ich aber den einen Punkt von der vorher schon fast sicheren Höchstwertung ab. Mir ging die Wandlung der Eltern zu schnell. Im einen Moment ist keiner von ihnen jemals da und ansprechbar, im nächsten Moment nimmt Vater Neil alles in die Hände und alles wird besser. Mir gefiel auch nicht, dass Emorys Probleme - die ja offensichtlich zu Tage traten - im Angesicht von Joeys Rückfall schon wieder in den Hintergrund gerieten. Es war schön zu lesen, dass ihr alte Freunde beistanden und energisch gegen das schulische Mobbing einschritten. Aber damit wurden nur die Symptome bekämpft. Ich las auch nichts davon, dass Emorys selbstzerstörerische eigene „Stressbewältigungsmethode“ aufgearbeitet wurde.

Als Pluspunkt verzeichnete ich, dass sich Kathleen Glasgow zuletzt an ihre Leser richtet und ihre eigene, sehr persönliche Nachricht zu dem Buch verfasst. Gut waren auch die im Anhang aufgelisteten Hilfsangebote.

Fazit

Kathleen Glasgow schildert feinfühlig und realistisch, wie eine Familie fast zerreißen, aber auch wieder zusammenfinden kann. You`d be home now erzählt davon, wie alles in Gefahr geraten, aber auch gestärkt werden kann und macht damit sicherlich Mut.
 

You'd be Home Now

Kathleen Glasgow, Sauerländer

You'd be Home Now

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