Lieb doch, wie du willst

  • Thienemann
  • Erschienen: September 2023
  • 0

Broschur, 256 Seiten

ISBN: 9783522202923

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Theresa Mürmann
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJan 2024

Ein bunter Strauß an Liebesabenteuern

Auf der Suche nach der eigenen sexuellen Identität geraten viele ins Straucheln. Manchmal braucht es einschneidende Erlebnisse, um zu erkennen, wer man wirklich ist, wie man berührt werden möchte und von wem. Vielleicht braucht es für diesen Prozess bei dem einen oder der anderen länger. Die Hauptsache ist aber, er findet statt und wir können zu der Person stehen, die wir sind. Doch nicht immer ist das so einfach, wie es klingt. Insbesondere dann, wenn die sexuelle Identität nicht mit den klassischen Rollenbildern, den normativen Vorstellungen von Beziehungsmodellen oder den Erwartungen im Familien- und Freundeskreis übereinstimmt.

In dieser Anthologie wurden Kurzgeschichten bekannter Jugendbuchautor*innen gesammelt, die sich mit genau dieser Thematik beschäftigen und dazu ermutigen, sich selbst nicht in ein Bild zu pressen, was andere gerne sähen. Sondern sich von den eigenen Gefühlen leiten zu lassen, ungute Empfindungen zuzulassen und auf dieser Reise immer mehr zu sich selbst zu finden.

„All die Rollenvorgaben, Normen, Zwänge und tausend Dinge, die von außen auf dich einprasseln, dich irritieren, verunsichern.“

Der Untertitel „Geschichten von Lust und Sehnsucht“ ist dabei Programm, denn in nahezu allen Texten geht es um körperliche Anziehung und Sex, mal mehr und mal weniger detailliert. Egal ob zwischen Frau und Mann, Mann und Mann, Frau und Frau oder auch mit sich selbst - jeder und jede Autor*in beschäftigt sich mit dem Thema Liebe, Lust und Erotik aus einer eigenen Perspektive.

Häufig sind es Geschichten von zweien, die sich fremd sind, nur zufällig begegnen, aber sofort eine gegenseitige Anziehung verspüren. Manche treffen sich auf einer Party, im Kurzurlaub oder an der Tankstelle, wieder andere entsprechen dem „Friends-to-Lovers“-Trope. Einige der zwölf Kurzgeschichten sind besonders einnehmend und tiefgründig, andere kratzen eher an der Oberfläche und ziehen gegen Ende das Tempo an. Aber diese qualitativen Unterschiede im Schreibstil sind, tun dem Gesamtwerk an sich keinen Abbruch, denn die Message kommt in jedem Fall rüber.

Einnehmend ist beispielsweise die Erzählung von Kathrin Schrocke, deren Protagonistin eine junge Sexarbeiterin ist, die ihren Job neben dem Studium ausübt. Es prallen Welten aufeinander, als ihre Mitbewohner*innen erfahren, womit Daria ihr Geld verdient. Anke Weber beschreibt in einer anderen Geschichte die Diskrepanz zwischen den hohen Erwartungen an das erste Mal und der Realität. Aus der Enttäuschung wird schnell das Gefühl der Freiheit - befreit „von dem Glauben, für echten Sex ein Gegenüber zu brauchen.“

„N.* war das komplette Gegenteil von allem, was man ein musste, um in unserem Kaff am Ende der Welt einigermaßen gut durchzukommen.“

Sexuelle Identität meint auch das Körpergefühl und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschlecht. Während dieser Aspekt in vielen Beiträgen nicht hervorsticht, nimmt er bei Tobias Elsäßer und Jana Fuhrmann eine besondere Rolle ein. Hinter N.*s Rücken wird nur getuschelt: Ist das ein Mann oder eine Frau? Warum hat er oder sie Brüste? Was hat es mit dem Bart auf sich? In dieser Geschichte prallen Welten aufeinander, deren Zusammenstoß in offener Diskriminierung endet. Wie lebt es sich in einer Gesellschaft, die anscheinend nicht akzeptieren kann, das ihre Raster und Vorstellungen nicht für alle gleichermaßen passend sind? Wie viel Mut braucht es, um zu sich selbst zu stehen und einen eigenen Weg zu finden?

Natürlich kann diese Sammlung an Geschichten nicht alle Facetten von Liebe und Sehnsucht abdecken. Nicht für alle Leser*innen mag die körperliche Komponente beispielsweise eine solch wichtige Rolle in Beziehungen einnehmen - Stichwort: Asexualität. Die Botschaft kommt jedoch an: Wenn es um die Liebe, Sehnsüchte und körperlichen Wünsche geht, zählen nicht die Erwartungen der anderen, sondern nur unsere eigenen Empfindungen.

Fazit

Ein besonderes Buch für junge Erwachsene, das ermutigt, mehr auf sich selbst zu hören, als auf andere zu schauen. Ein wichtiger Beitrag für mehr Toleranz, Diversität und Selbstbewusstsein in Sachen Liebe.

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