Wir sind die letzte Generation

  • cbt
  • Erschienen: April 2023
  • 0

Broschur, 250 Seiten

ISBN: 9783570315453

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Sabine Bongenberg
6101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJun 2023

Viel Papier für wenig Text

Als Ben Johanna dabei fotografiert, wie sie eine Überwachungskamera außer Gefecht setzt, fühlt er sich direkt von ihr angezogen. Sie rebelliert gegen Regeln, hat feste Vorstellungen von ihrem Leben und setzt sich für Ziele ein. Johanna dagegen sieht in ihm erst einmal nur einen lästigen Kerl, der einfach und ungefragt Fotos von ihr macht. Die beiden passen aber auch erst einmal gar nicht so recht zusammen: Er wohnt noch zuhause bei Mama und Papa und sein Leben ist geregelt und bequem. Sie lebt mit einer Gruppe von anderen Aktivisten in den Baumwipfeln des Hambacher Forsts und ihr Leben ist spannend und ungewöhnlich - aber sicher nicht bequem. Es sind zwei Welten, die hier aufeinandertreffen und wenn sie zusammenbleiben wollen, dann müssen sie sich für eine davon entscheiden. Aber für welche?

Das richtige und das falsche Leben...?

Als ich das Buch Wir sind die letzte Generation zum ersten Mal aufschlug, da erwartete ich natürlich einen Roman und einen Text, der die Seiten füllt. Manfred Theisen hat aber seinen Roman in einer Form verfasst, die an einen Gedichtband erinnert. Maximal zehn Worte sind in einer Zeile zu finden und manchmal finden sich fünf Zeilen auf einer ganzen Seite. Damit wird eine eigene Ruhe des Buches erreicht und die Dinge ereignen sich in einem eigenen Rhythmus. Erzählt wird in erster Linie die Liebesgeschichte zwischen Ben und Johanna - oder von Alaska und Flocke, wie sie sich in ihrer Gemeinschaft nennen - und eingerahmt wird das Ganze von den Geschehnissen um die Besetzung des Hambacher Forsts und auch um eine Widerstandsgruppe, die sich im Dritten Reich gegen die Obrigkeit auflehnte und von den Machthabenden ermordet wurde.

Der Kölner Autor Manfred Theisen hat dieses Buch gemeinsam mit seiner Tochter Emilia entwickelt. Wie sein Held Ben, musste Emilia ein Schulreferat über die „Edelweißpiraten“ der Nazizeit erstellen und war sofort der Meinung, dass die Besetzer des Hambacher Forstes ebenso als Widerstandskämpfer zu sehen sein sollten, wie seinerzeit die Edelweißpiraten. Natürlich sind hier die Meinungen sicherlich frei, dennoch sollte nicht vergessen werden, dass die Widerstandskämpfer des Dritten Reiches geschlagen, gefoltert, vor einen Schauprozess gezerrt und hingerichtet wurden - wogegen den Umweltaktivisten, die in einem Rechtsstaat und zudem in einer Demokratie leben - Gottseidank - nicht ein ähnliches Schicksal droht. Allein im Hinblick auf die Konsequenzen des „Andersdenkens“ dürften hier schon erheblich Unterschiede bestehen.  Das ist aber meine persönliche Einschätzung und ob bzw. wie die Edelweißpiraten und die Umweltaktivisten zu vergleichen sind, das mag der jeweilige Leser mit sich selbst ausmachen.

...oder das fichtige und das ralsche Leben ...?

Eingerahmt von den verschiedenen Weltanschauungen erzählt Manfred Theisen dann die Liebesgeschichte von Ben und Johanna. Johanna - auch „Flocke“ genannt - hat sich schon lange von ihrer Familie losgesagt. Die Idee einer Ausbildung, eines Berufes oder auch eines „bürgerlichen“ Lebens hat sie verworfen. Ben allerdings steht da noch mittendrin. Er wohnt noch zuhause, sein Leben ist geregelt und alles ist da. Noch schlimmer wird die Geschichte aber dadurch, dass Bens Mutter zudem zu dem Sicherheitspersonal gehört, das mit der Räumung des Hambacher Forstes beauftragt ist und somit die Gräben zwischen den beiden Positionen noch tiefer wirken und Ben noch zu einem größeren Spagat gezwungen wird. Damit aber wird er zu einer Entscheidung gezwungen und bekennt sich zu dem „richtigen“ Leben. Das aber warf für mich verschiedene Fragen auf. „Das richtige Leben“ - ist es wirklich nur das Leben, das im kompletten Einklang mit der Natur steht? Technik gibt es nicht, Pharmazie brauchen wir nicht - wie gut, dass offensichtlich nie jemand ernsthaft krank wird? Ich fragte mich auch manchmal, ob Ben tatsächlich aus eigener Einsicht sein Leben ändert oder ob das nicht hauptsächlich an der Liebe zu Johanna lag, denn ein richtiges „Aha-Erlebnis“ konnte ich nicht erkennen. Ich hätte es auch spannend gefunden, einmal zu lesen, wie die Aktivisten im Hambacher Forst täglich leben, wie sie ihre Baumhäuser bauen, wie sie zurechtkommen. Aber davon findet sich auf den spärlich bedruckten Seiten für meinen Geschmack zu wenig. Nebenher war ich auch der Meinung, dass zu viel Schwarzweiß-Malerei betrieben wird. Die Waldbesetzer - sie mögen mit einigen Dingen recht haben - aber möglicherweise nicht mit allen und natürlich macht es sich auch die bürgerliche Gesellschaft mit vielen Dingen zu einfach.

Fazit

Ein Buch über Umweltaktivisten, das auf einer Hälfte des jetzt verwendeten Papiers hätte gedruckt werden können - so viel zur Idee der Nachhaltigkeit. Aber für meinen Geschmack wird von dieser Idee ohnehin zu wenig vermittelt. Die Hauptbühne gehört der Liebe zwischen Johanna und Ben - hübsch zu lesen - aber am Ende des Tages auch nur ein besonderes Ereignis zwischen zwei Menschen.

Wir sind die letzte Generation

Manfred Theisen, cbt

Wir sind die letzte Generation

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