Wenn deine Erinnerungen nicht real sind
Seit dem Unfalltod seiner Schwester ist nichts mehr, wie es war. Die Trauer um Emilia bestimmt Lennox’ Gedanken und Träume. Die digitale Welt bietet ihm einen Zufluchtsort, einen Raum, in dem er seine Hacker-Skills optimieren kann. Letztere nutzt er vor allem für kleine Späße und Streiche in seiner Heimatstadt Libea. Als seine mysteriöse Nachbarin Tessa plötzlich verschwindet, findet Lennox immer mehr Hinweise, die darauf hindeuten, dass mehr dahintersteckt. Die Spur führt zum größten Konzern Libeas: Exilium.
Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der keiner mehr seinen freien Willen besitzt und ständig überwacht wird? Eine Frage, die im Science-Fiction-Genre nicht neu ist, aber in diesem Cyber-Thriller von Colin Hadler dennoch spannend inszeniert wird. Exilium ist das Auge ganz Libeas, doch kaum jemand weiß, wie viel der Konzern über die Bewohnerinnen und Bewohner weiß: medizinische Daten, Entscheidungen und Vorlieben. Es geht um Experimente an Menschen und eingepflanzte Chips, Überwachung rund um die Uhr. Als Lennox hinter dieses Geheimnis kommt, ist es für ihn schon fast zu spät, denn Exilium hat seine Leute überall. Ein Glück, dass es mit seinem besten Freund Dodo und Nia, in die Lennox heimlich verliebt ist, noch wenige Menschen gibt, denen er vertrauen kann. Oder?
Freund oder Feind?
Dieser Roman lebt von den Wendungen in der Handlung und in den Charakteren. Nie weiß man, welcher Figur man trauen kann. Dies gilt auch für Lennox, dessen Verhalten an einigen Stellen befremdet. In der einen Sekunde ist er ein humorvoller Jugendlicher, in der nächsten überwältigt er ohne Probleme auf brutale Weise zwei ausgebildete Exilium-Sicherheitskräfte. Hier sind die Übergänge teilweise zu schnell oder knapp erzählt. Auch das problemlose Einhacken in so gut wie jedes Sicherheitssystem mittels Lennox’ digitaler Armprothese, die er seit dem Autounfall hat, erscheint in seiner Häufigkeit irgendwann nicht mehr ganz plausibel.
Raum für Gedanken und Gefühle und ein packendes Finale
Typisch für Colin Hadler ist, dass es in seinen Thrillern stets genügend Raum für tiefergehende Gespräche gibt. Lennox hadert mit dem Unfalltod seiner Schwester und kann die Trauer nur schwer mit seinem Vater oder Freunden teilen. Erst Nia kann er sich anvertrauen. Zwischen Verfolgungsjagden und hochgehenden Bomben entwickelt sich sogar noch eine zarte Liebesgeschichte, deren Sinn sich erst später vollends erschließt.
Richtig packen kann einen die Story jedoch erst auf den letzten fünfzig Seiten. Denn bis dato sticht die Handlung nicht wirklich aus der Masse heraus und man wartet eigentlich nur darauf, wann Lennox den Kampf gegen Exilium endlich gewinnt. Wer jedoch dachte, dass es bis hierhin viele Plottwists gab, wird eindeutig eines Besseren belehrt. Denn das wirkliche Finale steht noch bevor und das hat es echt in sich. Durchhalten lohnt sich.
Fazit
Ein Cyberthriller mit klassischen Handlungsmustern und furiosem Ende. Für Science-Fiction-Fans gerne empfohlen.
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