Gefühle, so stürmisch wie das Meer
Schon ihr ganzes Leben lang tanzt Allison um ihn herum. Sie tanzt um seine Gefühle und Launen, um seine verletzenden Worte und schlagenden Fäuste. Er vertrieb viele, aber sie konnte nie weg. Bis jetzt ...
Jetzt steht sie mutterseelenallein in diesem kleinen Kaff in Cornwall und weiß nicht weiter. Nur für eine Nacht schleicht sie sich in Marlas Haus, die in Allison jemanden anderen zu erkennen scheint.
„Gegenwart und Vergangenheit stoßen zusammen. Ich drücke die Tür wieder zu, lasse mich auf den Boden sinken und lege mir die Hände über die Ohren.”
Marla ist eine alte Dame, die allein wohnt und zu bestimmten Zeiten von einer Pflegerin besucht wird. Ihre Demenz führt zu vielen schwierigen und gefährlichen Situationen und Allison lernt, ähnlich wie im Haus ihres Vaters, Marlas Launen zu erkennen, kann diese aber viel besser lenken.
Allison bleibt. Sie findet eine Möglichkeit, Geld zu verdienen und sich mit Marla zu arrangieren. Die junge Frau und die alte Dame geben sich gegenseitig Halt und Wärme. Während Marla in längst vergangenen Erinnerungen schwelgt, arbeitet Allison ihre Vergangenheit auf. Doch beiden fehlt eine Zukunft.
Aufwühlend und höchst poetisch
Toffee ist ein in freien Versen geschriebener Jugendroman über Verlust, Trauma und Erinnerung.
Mit wenigen und ganz genauen Worten lässt Sarah Crossan ihre Protagonistin erzählen. Von der Gewalt zuhause, von der Gewalt zwischen Freunden, von Gewalt resultierend aus verletzten Gefühlen und dem fehlenden Blick für die Lebensumstände anderer. Es geht aber auch um tröstliche Freundschaften, um Heilung durch Vertrauen und die Resilienz von Menschen – Jung und Alt.
Einfühlsam wird Marlas Demenz geschildert, die wechselhaft, häufig unverständlich und auch wunderbar lebendig die verschiedenen Abschnitte eines Lebens beleuchten. Durch ihre antrainierte Beobachtungsgabe gelingt es dem Mädchen ganz gut, hinter die stürmische Gedankenwelt der alten Dame zu schauen, sie kennenzulernen, ihre Abweisungen einzuordnen und für sich beide ein herzliches Miteinander zu arrangieren, jedoch immer auf der Hut vor unbeständigen Winden. Denn ihre Beziehung ist fragil und kann nicht lange gut gehen.
Aufwühlend und unendlich traurig ist Allisons bisheriges Leben bei ihrem Vater. Ohne Liebe und Wärme wächst sie in einem Haus auf, welches für sie nur wenige schöne Augenblicke bereithält. Immer mit der Hoffnung auf einen Sinnenwandel ihres Vaters, auf ein freundliches Wort oder eine Umarmung, gibt sie ihr Bestes, seine Stimmungen zu lesen und Anweisungen genau auszuführen.
Genauso unstet wie die Beziehungen in diesem Buch, sind auch die verschiedenen Zeitebenen: Allison erzählt vom Hier und Jetzt und springt immer wieder in ihre Vergangenheit, wie auch Marla von einem Moment zum anderen verschiedene Erinnerungen durchlebt.
Durch Sarah Crossans unnachahmliche Art des Erzählens und die der Gedichtform geschuldeten kurzen Kapitel sind diese Sprünge immer gut verständlich, clever platziert und absolut wirkungsvoll.
Fazit
Voller Gefühl und Empathie, voller Schmerz und erleichternder, freudiger Momente, ist dieser Roman einer, der berührt, der bleibt und zum immer wieder Lesen einlädt. Sarah Crossan fesselt mit wenigen Worten, die Bilder und Stimmungen erschaffen und vertraut auf das Gespür der Leser, zwischen den Zeilen lesen zu können.
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