Last night at the Telegraph Club

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  • Erschienen: April 2023
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übersetzt von Beate Schäfer; Hardcover, 448 Seiten

ISBN: 9783423764193

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Alexandra Fichtler-Laube
9101

Jugendbuch-Couch Rezension vonAug 2023

Liebe ist Liebe

Die 17-jährige Lily wächst in den 1950er Jahren im chinesischen Stadtteil von San Francisco auf. Ihr Leben ist fest verankert in den amerikanisch-chinesischen Strukturen ihrer Umgebung. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Shirley hat sie, außer durch die Schule, wenige Berührungspunkte außerhalb ihres Stadtviertels. Doch anders als Shirley erträumt sich Lily ihre Zukunft nicht als verheiratete Frau und Mutter, sondern als Wissenschaftlerin an einem Forschungsinstitut für Raumfahrt. Auch wird sie magisch von den Schildern der Clubs auf dem Broadway angezogen, deren Erkundung für ein chinesischen Mädchen nicht schicklich ist.

Nachdem sie in einer Zeitung eine Annonce der „Herrenimitatorin“ Tommy Andrews entdeckt, die eben dort im Telegraph Club auftritt, wird ein unbestimmtes Verlangen in Lily ausgelöst, für das sie lange keine Worte findet.

„Jetzt legte sie die Pilotinnen neben Katherine Hepburn und Tommy Andrews auf ihr Bett und sah von einem Foto zum anderen, immer wieder. Sie hätte nicht in Worte fassen können, warum sie diese Bilder gesammelt hatte, spürte es aber in allen Gliedern: Da war dieser hitzige, unruhige Drang, sie zu betrachten – und beim Betrachten etwas zu begreifen.”

In der Schule lernt sie Kath Miller kennen, eine Amerikanerin mit italienischen Wurzeln. Kath erkennt Lilys Interesse an Tommy Andrews und schlägt ihr vor, sich gemeinsam einen ihrer Auftritte anzuschauen. Lily taucht in eine ganz neue Welt am Rande der Legalität ein - die sie mitten ins Herz trifft. Sie lebt nun eine Art Doppelleben: Folgsames chinesisches Mädchen bei Tag und neugierig-entdeckende junge Frau bei Nacht.

Doch ihre Gefühle und Taten könnten für sie und ihre Familie im Klima der erstarkenden Verfolgung chinesischer Immigranten durch die amerikanische Regierung weitreichende Auswirkungen haben.

Eine Liebe ohne Worte

Last Night at the Telegraph Club verbindet ganz unterschiedliche Themen, die bis dato noch nicht so häufig im Jugendbuch thematisiert wurden. Malinda Lo beschreibt anhand der Familien von Lily und ihrer Freundinnen die verschiedenen Immigrationsprozesse von Generationen amerikanischer Chinesen und die wechselhafte Akzeptanz der amerikanischen Politik ihnen gegenüber.

In den 1950er Jahren waren die Chinesen aufgrund der politischen Entwicklungen in ihrem Heimatland unter ständiger Beobachtung. Jedwede Verbindung zum Kommunismus wurde verfolgt und konnte zur Ausweisung aus Amerika führen. Da Lilys Vater als Arzt einem unter Verdacht stehenden jungen amerikanischen Chinesen half, stand plötzlich seine Einbürgerung und die der Familie auf dem Spiel und weitere Konflikte mit dem Gesetz konnten zur sofortigen Abschiebung führen.

Lilys Besuche des Telegraph Clubs waren aufgrund ihres Alters und der lesbischen Ausrichtung des Clubs illegal. Aber das Mädchen lernt hier Menschen kennen, die ihre eigene Sexualität erkannt haben und sie frei ausleben. Vorher noch nie mit dem Konzept Homosexualität in Berührung gekommen, aber innerlich erkennend, dass das tradierte Rollenbild sie nicht berührt, weiß Lily zunächst nicht ihre Gefühle einzuordnen und zu benennen.

Ganz zart und langsam nähert sie sich Kath an und ganz besonders liebevoll erkennen die Mädchen ihre Liebe zueinander – bis alles auffliegt und Lily sich ihren Eltern, ihrer Gemeinschaft und ihrer Zukunft stellen muss.

Besonders diese innere Entwicklung Lilys ist der Autorin hier wirklich großartig gelungen. Ohne Dinge zu überstürzen, durchbricht die Erkenntnis nach und nach die Oberfläche, warum die ganz und gar angepasste Lily die Gefahr auf sich nimmt, sich selbst zu entdecken. Dabei verwendet die Autorin auch historische Begebenheiten und Persönlichkeiten, um die Geschichte der Homosexualität in San Francisco realistisch darzustellen.

Der Beginn des Buches ist etwas langsam, aber es lohnt sich durchzuhalten, denn es ist eine Geschichte, die ganz vielfältige Erkenntnisse bietet und eine noch sehr unbekannte Zeit beleuchtet, die viele Veränderungen mit sich brachte.

Fazit

Die zarteste Liebesgeschichte am Rande der Legalität. Das Leben amerikanischer Chinesen in einer historisch wechselhaften Zeit. In Last Night at the Telegraph Club treffen Welten aufeinander, die noch unbekannt sind und ganz neue Geschichten erzählen.

Last night at the Telegraph Club

Malinda Lo, dtv

Last night at the Telegraph Club

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