Unsichtbar

übersetzt von Ilse Layer; Broschur, 368 Seiten

ISBN: 3737372152

Unsichtbar
Unsichtbar
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Rita Dell'Agnese
9101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJul 2023

Unsichtbares sichtbar gemacht

Der Junge liegt im Krankenhaus und spürt die Hand, die auf seinem Bein liegt. Das leichte Gewicht der Hand erinnert ihn daran, dass er doch eigentlich unsichtbar ist und nun durch diese einfache Geste plötzlich ein ganz anderes Gefühl erlebt. Nach und nach offenbart sich die ganze tragische Geschichte des Jungen ohne Namen – eine Mobbinggeschichte, wie sie ähnlich immer wieder erlebt, durchlitten wird. So wird der Junge zu einem kleinen Helden, der all den anderen, die mitten in diesem Grauen stecken, eine Leuchtfigur werden kann. Denn was dem Jungen widerfährt, bekommt plötzlich ein Gesicht. Und nicht nur das: Auch der Mobber bekommt ein Gesicht und eine Stimme. Dadurch werden Zusammenhänge bewusst, was anderen Betroffenen unter Umständen helfen kann. Und letztlich wird auch deutlich, was wegsehen bedeutet – und wieso das eigentlich keine Option sein darf.

Ganz nah am Geschehen

Es ist kein spektakulärer Einstieg in die Geschichte, die der Autor Eloy Moreno seinem Publikum anbietet. Aber einer, der auf intensive Art sofort berührt. Denn die Angst des Jungen ist quasi vom ersten Moment an spürbar, subtil und unaufdringlich, aber nicht zu übersehen. Und das ist es auch, was das Werk von Eloy Moreno so besonders macht: Er packt sein Publikum auf einer emotionalen Ebene, ohne dass es sich dagegen abgrenzen könnte. Der Autor bedient sich dabei eines speziellen Instruments. Er verzichtet darauf, den Jungen als Opfer darzustellen, sondern stellt ihn als Menschen ins Zentrum, der sich selber nahezu unsichtbar machen kann, um zu überleben. Der gänzliche Verzicht auf Schulzuweisung löst eben genau das Gefühl aus, dass hier etwas geschieht, das ganz und gar nicht in Ordnung ist. Unterstützt wird das Ganze durch die Gefühle der anderen Beteiligten, inklusive der Mutter des Jungens, die entsetzt feststellen muss, dass sie irgendwann aufgehört hat, ihren Sohn und seine Nöte zu sehen. Auch hier wieder geht Eloy Moreno sehr feinfühlig vor und verzichtet darauf, die Mutter in eine emotionale Explosion zu verwickeln.

Mobbing von verschiedenen Seiten beleuchtet

Obwohl es hier klar um den namenlosen Jungen geht, der unter dem Mobbing und dem Wegsehen der anderen gelitten hat, kommen eben auch die anderen Parteien zu Wort. Sie müssen sich mit den Folgen des Mobbings auseinandersetzen und sich vor sich selber erklären. Das geschieht in einem nachvollziehbaren Prozess – und mündet nicht in eine allgemeine Freundschaft, was eher unglaubwürdig wäre. Aber es ist so dargestellt, dass sich die Leserinnen und Leser selber reflektieren können und sich Gedanken dazu machen müssen, wo sie selber stehen – bei den Mobbern, bei den Wegsehenden oder bei den Gemobbten.

Kein Wohlfühlbuch

Unsichtbar ist kein Buch, das man zur Unterhaltung liest. Dazu fordert es zu stark heraus und hält jedem einen Spiegel vors Gesicht. Es ist auch von der Sprache her anspruchsvoll und bei der einen oder anderen Passage muss man wohl darüber nachdenken, was genau der Autor hier sagen wollte. Das Buch ist aber etwas, was man als Grundlage für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema brauchen kann- sei es nun als Lehrkraft in einer Klasse, in der es zu Mobbing-Vorfällen kommt oder als in der einen oder anderen Art Betroffener. Die feine Erzählstruktur und das Unspektakuläre und doch sehr sehr menschennahe Schildern machen sprachlos und manchmal wohl auch beschämt. Es macht aber eines: Ein wichtiges Thema sichtbar.

Fazit

Unsichtbar ist eines der Bücher über Mobbing, die man nicht nur gelesen haben sollte, wenn man unmittelbar mit dem Thema konfrontiert ist. Es kann auch helfen, den Anfängen zu wehren.

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