The truth behind your lies

Endlich ist das Abi geschafft: Für die fünf Freunde Flo, Jens, Emmy, Rod und Ann heißt das, erstmal in den Schweizer Bergen ausspannen. Die Hütte von Jans Onkel bietet den passenden Rahmen dafür. Jan selbst ist nicht mit von der Partie. Als ein nerdiger Außenseiter schafft er es nicht, Teil der angesagten Gruppe zu werden. Die Gruppe lässt ihn immer wieder auflaufen und grenzt ihn aus. Jan will sich für all die Erniedrigungen bei der Gruppe rächen. Denn er ahnt, dass hinter der makellosen Fassade so einiges im Argen liegt. Deshalb verteilt er in der Hütte Kameras, mit denen er jeden Schritt in der Hütte und im nahen Umfeld verfolgen kann. Einige Sequenzen lädt er gar auf seinem YouTube-Kanal hoch. Doch die Geschichte entgleitet Jan.

Eindrückliche Warnung

Sieht man hinter Silke Heimes Roman The Truth Behind Your Lies einfach die Warnung vor der Öffentlichkeit im Internet, hat die Geschichte durchaus einen soliden Boden. Sieht man jedoch etwas genauer hin, wackelt dieser Boden bedenklich. Gerade die Figur von Jan will einfach nicht so richtig passen. Zwar erkennt man ihn mühelos als Nerd – dazu trägt schon sein kleines Haustier bei. Jedoch will seine ganze Handlungsweise irgendwie nicht so ganz richtig zu diesem nerdigen Image passen. Vielmehr zeigt sich Jan nicht nur als ein eher unsympathischer und heimtückischer Charakter, der so gar nicht mit dem Verhalten eines Mobbing-Opfers zusammen passt. Konnte Jan am Anfang noch ein wenig Mitgefühl mobilisieren, verliert sich das im Laufe des Romans immer mehr und man sieht den jungen Mann schnell als unangenehmen Stalker, der gut in ein Täterprofil passt. Das auch deshalb, weil die erwarteten – und in Vorschauen angekündigten – dunklen Geheimnisse der Gruppenmitglieder sich schnell als mehr oder weniger «normale» Probleme von jungen Erwachsenen erweisen.

Geschichte zurechtgebogen

Das mit dem übereinander passen, scheint in diesem Roman ohnehin etwas fraglich. Die Gruppe, die Jan mehr als deutlich ausgrenzt, will sich ausgerechnet im Haus seiner Familie vom Abi-Stress erholen. Jan, der nicht Teil der Gruppe ist, weiß genau, dass die Leute so einiges zu verbergen haben und macht das für alle Welt sichtbar. Hier wird etwas viel zurechtgebogen, damit die Geschichte überhaupt irgendwie funktioniert. Die Fragezeichen bleiben dabei im Raum stehen. Der angenommene Zweck der Geschichte, die verheerende Wirkung von zu viel Öffentlichkeit, erweist sich schnell als Trugschluss. Doch bleibt letztlich im Dunkeln, was genau die Autorin denn nun vermitteln will – sie bleibt bei nahezu allen angesprochenen Themen sehr stark an der Oberfläche, streift immer wieder das eine oder andere, geht aber nicht ernsthaft darauf ein. Zwar wird im Laufe der Geschichte etwas deutlicher, was in Jan und in Emmy vorgeht, die anderen Figuren bleiben aber außen vor. Damit bleibt nach einem kleinen Showdown zum Schluss ein etwas ratloses Gefühl zurück.

Fazit

Die Geschichte hat Potenzial. Allerdings wird das lediglich gestreift, statt wirklich abgeholt. So entstand ein gut lesbarer Roman, bei dem es immer wieder zu kleinen Stolpersteinen kommt. Und das bei Protagonisten, mit denen man irgendwie nicht so richtig warm werden mag.