Erschreckend realitätsnah
Lucas hat nichts anderes mehr im Kopf, als sich Nacht für Nacht Pornos reinzuziehen. Aus dem wirklichen Leben zieht er sich immer weiter zurück, und auch seine Noten leiden deutlich darunter. Seine Eltern sind verzweifelt – und machen darüber einen Fehler nach dem anderen. Können sie noch die Kurve kriegen, bevor es zu spät ist? Doch wie sieht die richtige Hilfe aus?
„Zum Glück beruhigen ihn die Pornobilder. Sie sind wie ein Zufluchtsort – wenigstens eine Sache, bei der er sich wirklich auskennt. Sie erlauben ihm, der wirklichen Welt, der Mittelmäßigkeit seiner Noten, seines Aussehens und letztendlich auch seines Lebens zu entkommen.“
Lucas fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Die Pubertät kommt, und alle um ihn herum beginnen, sich zu verändern. Während seine Mitschüler jedoch neuen Interessen folgen, neue Freunde finden und erste Beziehungen eingehen, zieht sich Lucas immer mehr zurück. Er kommt aus einem liebevollen, aber instabilen Elternhaus (seine Mutter hat Depressionen, auch wenn sie zurzeit eine gute Phase hat) und er nimmt an Gewicht zu.
Diese Unzufriedenheit und Unsicherheit sind der ideale Nährboden für etwas anderes, das ihm über Jahre hinweg Sicherheit geben wird: Pornografie. Stunden über Stunden verbringt er im Internet, schaut sich Film für Film an und macht so die Nächte durch. Er trinkt nur Cola und isst ungesundes Zeug, wodurch er noch dicker und unzufriedener wird. Seine Eltern bemerken zwar die Veränderungen, realisieren aber erst das Problem, als Lucas‘ Laptop kaputtgeht, weil dieser von Viren aus dem Internet überflutet wird.
Als sie herausfinden, womit Lucas sich die Nächte um die Ohren schlägt, versuchen sie es mit Internetentzug, mit Kindersicherung und mit Strenge. Doch der Jugendliche weiß dies immer zu umgehen. Schließlich wissen sich die Eltern nicht anders zu helfen, als ihm psychologische Hilfe zu suchen. Da ist Lucas jedoch schon an einem Punkt, der sich fast zur Katastrophe ausweiten wird.
Eine weit unterschätzte Gefahr
In einer Sache haben viele Eltern Sorge, ihre Kinder würden irgendwann darauf stoßen: Pornografie. Vielleicht die gleiche Zahl der Eltern ist sich aber gleichzeitig sicher: Mein Kind guckt sowas nicht. Da muss man vermutlich ganz schnell den Zahn ziehen, denn: Doch, tun sie! Und ja, mit seinem Kind darüber zu sprechen, ist das letzte, das beide Parteien wollen. Aber der Zugang zur kostenlosen Pornografie wird immer leichter, und wenn es den Eltern doch irgendwie möglich ist, den Jugendlichen den Zugang zu Hause zu verwehren, dann ist der Austausch mit Mitschülern keine große Sache mehr.
Natürlich kann man im gleichen Atemzug fragen, was das Problem ist – gehört das Entdecken der eigenen Sexualität schließlich zum Erwachsenwerden dazu. Doch Jugendliche haben im Pornokonsum oft keinen Sinn für Maß. Die Folge ist ein krankes Bild der Selbsteinschätzung, über Sexualität im Allgemeinen und vor allem auch im Umgang mit anderen Menschen (ob sexuell oder nicht). Der französische Autor Patrick Bard zählt dezidiert auf, welche Probleme mit Pornografie verbunden sein können. Dabei erklärt er schlüssig und nachvollziehbar und baut dies geschickt in die Geschichte ein.
Ein bisschen muss man jedoch Lucas Eltern aushalten können, weil man die nun wirklich mehrmals schütteln möchte. Ohne zu viel zu verraten, kann ich zum Beispiel erwähnen, dass sie Lucas zwingen, eine Dokumentation über die Pornoindustrie zu schauen, um ihm dann vorzuhalten, wie schlecht sein Verhalten ist. Dass dies nach hinten losgeht, wird wohl nicht überraschen. Der Autor macht damit aber vor allem klar, dass viele Eltern sich der Problematik oft nicht bewusst sind. Das wurde hier realitätsnah umgesetzt!
Fazit
So spannend sich die Geschichte liest, so erschreckend sind viele Fakten, die Patrick Bard einfließen lässt. Sowohl als unterhaltende Lektüre als auch zur Aufklärung hervorragend geeignet!
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