Schnabeltier deluxe

Hardcover, 224 Seiten

ISBN: 9783499009112

Schnabeltier deluxe
Schnabeltier deluxe
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Sabine Bongenberg
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJan 2023

Das eigenwillige Tierchen wächst einem doch ans Herz

Kim kann nicht mehr zuhause bleiben – denn: Jetzt ist Schluss mit lustig! Wieder ist sie von der Schule geflogen und im näheren Umfeld will sie kein Institut mehr aufnehmen. Die einzige Möglichkeit, die ihr noch bleibt, ist erst mal auf das platte Land zum Ex-Lover ihrer Mutter und dessen grantiger alter Tante zu ziehen. Nur da kann sie dann doch noch ihren Schulabschluss machen, denn Mutters Ex René, der hat einen alten Freund, der Schulleiter ist und der würde noch ein Auge zudrücken.

Kim hat den festen Vorsatz alles zu schaffen: Sie will die Schule stemmen und da die Klappe halten, sie will eigenes Geld verdienen und ihrer Mutter zurückzahlen, was sie durch ihre Wutanfälle zerstört hat und am liebsten möchte sie sich immer weiter von ihrer Umwelt distanzieren. Aber so ganz geht das nicht, denn Kim findet einerseits heraus, dass es auch auf dem platten Land Leute gibt, mit denen es lohnt, eine Beziehung aufzubauen. Andererseits muss sie aber auch lernen, dass es nicht einfach reicht, sich vorzunehmen, keinen Wutanfall mehr zu bekommen, wenn der Grund für die Wut immer weiter im Verborgenen vor sich hin schwelen kann …

Da war das mit der Kaffeemaschine und der Wut …

Sarah Jäger beginnt ihre Geschichte um die unangepasste und oft wütende Ich-Erzählerin Kim mit einem regelrechten Paukenschlag: Kim wirft die Kaffeemaschine ihrer Lehrer aus dem Fenster und ein paar Untertassen hinterher – und schon war es das mit ihrem Schulbesuch. Leider war es das für mich aber dann auch schon ganz zu Anfang mit der Glaubhaftigkeit, denn auch wenn meine Schulzeit jetzt – hüstel – schon ein bisschen länger zurück liegt, so wurde doch der Zugang unseres Lehrerzimmers vergleichbar dem von Fort Knox bewacht. Da wäre keiner so einfach reingekommen, geschweige denn, hätte er die Zeit gehabt, ein Fenster zu öffnen, die schwere Maschine rauszuwerfen und dann noch weiteres Porzellan nachzuschicken. Kims Wutausbruch ist damit aber noch nicht beendet, denn zuhause hat sie das mit den „Türen, die ihr offen stehen“ ein wenig zu wörtlich genommen und es sogar geschafft, einige Zimmertüren und sogar die Haustür aus den Angeln zu heben. Jeder, der so etwas schon einmal probiert hat, dürfte aber feststellen, dass auch das nicht so einfach geht und ich hatte ganz erhebliche Zweifel, dass eine 16jährige eine Wohnungstür einfach so mal heben – und auf ihre Mutter fallen lassen kann.

Immerhin – nach diesem Auftakt erzählt Sarah Jäger eine interessante und gut aufgebaute Geschichte, wie es Kim dann doch noch gelingt, ein bisschen Ordnung in ihr Leben zu bringen. Das kann ihr naturgemäß nicht alleine gelingen, sondern schön und einfühlsam wird davon berichtet, wie sie Janne kennen lernt und sieht, dass auch der seine Probleme mit sich herumträgt. Als schließlich auch noch Alex(andra Sofie) dazu stößt, wird der Freundes- (oder wie Kim es nennt, der „Bekanntenkreis“) dann noch einmal um ein spannendes Element – und um einige verwirrende Gefühle – erweitert und wir lernen mit Kim, dass Gewalt und Zorn vielleicht doch nicht immer die richtige Lösung ist.

Andererseits erzählt die Autorin aber auch so gut aus Kims Leben, dass die Leser verstehen können, was da in ihrem Leben gärt und warum sie zu ihren Wutausbrüchen angetrieben wird. Für meinen Geschmack waren einige Dinge nicht ganz fertig erzählt, wie zum Beispiel Kims anfängliche besondere Distanz zu ihrer Mutter oder aber auch Jannes besonderes „Ernährungsprogramm“. Dennoch wird mit Fortschritt des Buches eine gute Nähe zu der spröden Heldin Kim aufgebaut. Anfangs mochte ich sie ja gar nicht, aber spätestens als der Grund für Kims Aggressionen erklärt wurde, änderte sich das. Gut gefiel mir auch, dass Sarah Jäger ihre Helden allgemein anschaulich über ihre Gefühle sprechen lässt und damit zum Ausdruck bringt, was wir vielleicht manchmal alle empfinden.

„Manchmal habe ich das Gefühl, ich bekomme keine Luft, sagte Janne leise. Und dann ist reden wie atmen. Als würde ich verschwinden, wenn ich schweige.“

Fazit

Sarah Jäger schildert mit der 16jährigen Kim in Schnabeltier Deluxe ein eigenartiges, sprödes Tierchen, an das sich jeder erst einmal gewöhnen muss. Aber auch für die eigenwilligsten Personen gibt es – so wie für das Schnabeltier – eine eigene Nische und so ist es hier ein spannender Weg, wie auch die speziellen Lebewesen ihr eigenes Leben und ihren Lebensraum erobern können.
 

Schnabeltier deluxe

Sarah Jäger, Rowohlt Rotfuchs

Schnabeltier deluxe

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