Weitaus mehr als eine Liebesgeschichte
Ihre Schönheit war ihr Trumpf. Bis ein Feuer zerstörte, was ihr so viele Türen geöffnet hatte. Grace versucht, sich mit ihrer neuen Identität abzufinden und sich möglichst unsichtbar zu machen. Auch auf die Theaterbühne im College – bis zum Feuer ihre Leidenschaft – mag sie nicht zurückkehren. Neben ihrem Studium widmet sich Grace vor allem ihrer Großmutter und ihrer Arbeit in einem Food Truck. Als ihr ausgerechnet der rebellische und heiß begehrte West als Kollege zur Seite gestellt wird, ist Grace wenig begeistert. Auch wenn West gegenüber Grace immer wieder eine unerwartete Kollegialität und Weichheit zeigt, bleibt sie ihm gegenüber zunächst ablehnend. Doch mehr und mehr finden die beiden Zugang zueinander und Grace muss erkennen, dass sie nicht die einzige mit einer tiefen seelischen Verletzung ist. Sie erkennt in West einen sensiblen jungen Mann. Und ihm gelingt es, nach und nach Graces Widerstand gegen ihre eigenen Träume zu brechen.
Viel Empathie
Normalerweise geraten Romane, bei denen sich zwei Menschen mit äußeren oder inneren Verletzungen begegnen, in Gefahr, zu überladen und zu dramatisch zu werden. Die Autorin L.J. Shen bannt diese Gefahr geschickt. Sie geht mit ihren beiden Hauptfiguren höchst empathisch um und vermeidet dadurch, die Geschichte zu überladen. Grace, die sich vor allem durch ihre Äußerlichkeiten definiert, macht sich durch ihre Einstellung zu ihren Narben selber zum Opfer und dadurch auch zur Angriffsfläche einiger Studentinnen und Studenten. Diesen Mechanismus macht die Autorin gut sichtbar. West hingegen neigt zu einer ganz besonderen Art der Selbstverletzung. Auch hier verschwimmt das Opfer-Täter-Profil: West macht sich selber das Leben so schwer wie möglich und verweigert sich jede Chance, die erlittenen psychischen Wunden heilen zu lassen. Dass sich die beiden so stark in ihrer eingemauerten Welt nach und nach stützen, ist glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt.
Sich in die Geschichte hinein fallen lassen
Der Schreibstil der Autorin lädt die Leserinnen und Leser dazu ein, sich regelrecht in die Geschichte hineinsinken zu lassen und mit den beiden schwierigen, aber faszinierenden Charakteren viele Wege des Schmerzes, aber auch der aufkeimenden Hoffnung zu gehen. Damit entwickelt sich eine Szenerie, in der man sich heimisch fühlt, wenngleich der Schmerz, der immer wieder thematisiert wird, sich da und dort zu einer dunklen Wolke verdichtet, die sich kurzzeitig über die Geschichte legt. So lebt und leidet man mit, fühlt sich abgeholt und einbezogen. Genau das, was man von einem guten Roman für junge Erwachsene erwartet. Auch die eingearbeiteten Themen, die neben den Hauptthemen von Schuld, Trauer und Verletzung bewegen (da gehören unter anderem Demenz, Mobbing und Gewalt dazu), vermögen gut zu überzeugen. Einzig der etwas tiefe Griff in die Klischee-Kiste ist schade und verhindert, dass das Buch zu einem klaren Überflieger wird.
Fazit
Wer sich von den Themenkreisen Schuld, Schmerz und Trauer nicht abschrecken lässt – bitte unbedingt die Triggerwarnung beachten – findet hier einen gut geschriebenen Roman mit glaubwürdigen Figuren, die alle ihre Kanten und Ecken aufweisen. Trotz klassischen Elementen des Liebesromans bietet Love like Fire deutlich mehr als das Groß dieses Genres.
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