Mahnende Erzählung einer Überlebenden
Gerade einmal zehn Jahre alt sind die Zwillinge Eva und Miriam, als die Nationalsozialisten sie und ihre Familie nach Auschwitz deportieren. Die Mädchen haben das Glück, Zwillinge zu sein und so der Gaskammer zu entgehen. Doch Glück hat in diesem Fall einen schlechten Beigeschmack – denn als Zwilling war man in Auschwitz grausamen Experimenten ausgesetzt, die Leib und Seele in Mitleidenschaft zogen, und oft genug im Tod endeten.
„Am Leben zu bleiben, das war das Wichtigste. Wir wussten, dass wir wegen der Experimente noch lebten. Wegen einer glücklichen Laune der Natur. Weil wir Mengeles Zwillinge waren.“
Eva Mozes Kor wächst mit ihrer Zwillingsschwester Miriam, ihren beiden älteren Schwestern sowie ihren Eltern in einem beschaulichen Dorf in Rumänien auf. Sie sind die einzige jüdische Familie dort und werden von allen geschätzt. Doch dann breitet sich der Schrecken des Nationalsozialismus aus und erreicht schließlich auch Osteuropa. Wie ein Virus verbreitet sich der Hass in den Menschen und Freunde und Nachbarn, die einst wohlwollend über die Familie Mozes gesprochen haben, wenden sich ab und zeigen offen ihre Abneigung. Eva versteht dies natürlich nicht. Doch die Angst, die sie in den Augen der Eltern sieht, versteht sie umso mehr. Dann im März 1944 wird die Familie deportiert und nach Auschwitz verfrachtet. Die Zwillinge sind die einzigen, die dies überleben werden.
Eindringlicher Rückblick
Eine Geschichte zu bewerten, die in ihrer Grausamkeit kaum zu überbieten ist, steht keinem zu, der es nicht selbst erlebt hat. Daher soll dies an dieser Stelle auch nicht in die Wertung des Buches reinfließen. Was aber beim Lesen auffällt ist die sehr nüchterne, abgeklärte Beschreibung der Erlebnisse, von denen man meinen sollte, dass sie viel mehr Emotionen hervorrufen sollten. Dies könnte daran liegen, dass Eva Mozes Kor viele Jahrzehnte damit verbracht hat, über ihre schmerzhaften Erlebnisse zu berichten.
Man bekommt aber tatsächlich nur einen begrenzten Einblick und wenig Erklärungen. Das subjektive Erleben der Autorin wirkt lückenhaft, im Hinblick des Grauens ist dies natürlich auch nicht verwunderlich. So bleiben aber tiefere Einblicke in Mengeles Wahn und über seine Experimente verwehrt; auch das Leben in Auschwitz, das meist näher am Tod lag, spielt sich nur oberflächlich in der Erzählung ab.
Dagegen bieten viele Fotos Einblicke in das Leben der Familie Mozes und auch in die Zeit nach der Befreiung der Zwillinge. Vor allem aber beeindruckt die unbeugsame Stärke von Eva Mozes Kor und den unbedingten Willen zu überleben. Sie ergänzen die Erzählungen, die sich – womöglich gerade wegen ihrer Nüchternheit – tief einbrennen und einen Strudel an Emotionen zurücklassen; darunter auch die Hoffnung, dass so etwas nie wieder passieren wird.
Fazit
Man erfährt nicht viel Hintergrundwissen, da es sich um eine stark subjektive Erzählung über eine längst vergangene Zeit handelt, die aber durch solche Berichte niemals vergessen werden wird.
Eva Mozes Kor, Lisa Rojany Buccieri, cbt
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