Fragwürdig, aufwühlend und besonders
Er ist erst 17 Jahre alt und doch liegt seine Welt bereits in Trümmern. Elias, Liebhaber von Filmen und Musik der 90er Jahre, ist ein Einzelgänger. Früher gewalttätig und aufbrausend helfen ihm nun seine Besuche beim Psychiater klarer zu denken und sich seiner Gefühle bewusst zu werden. Die wichtigste Person in seinem Leben ist Evi, seine Schwester. Schon von Geburt an ist ihre Gesundheit fragil, weswegen Elias immer ein wachsames Auge auf sie hat.
„Und vielleicht ist es das, was mich am Joker fasziniert. Dass manchmal Dinge geschehen, die einem den Blick auf die Welt mit einem Schlag verändern, dann steht auf einmal alles auf dem Kopf und die Füße berühren den Boden nicht mehr.”
Elias und Evi verbringen viel Zeit miteinander. Vor allem an einem versteckten Plätzchen am See im Wald. Hier kann Evi unbeschwert klettern und schwimmen, nachdem ihr nach einer Krebserkrankung ein Bein amputiert werden musste. Dieser Ort wird auch ein besonderer Ort für Polly, die erst Elias Freundin und dann auch Evis Herzensmensch wird. Dieser Ort wird aber auch zu einem Ort der Zerstörung, der Zertrümmerung der Leben der drei Jugendlichen.
Bewegend und schockierend
Oliver Reps erzählt seine Geschichte in unchronologischen Zeitsprüngen, die auf sehr interessante Art und Weise immer nur Fragmente des Geschehens ans Licht bringen und erst zum Schluss die ganze Tragweite der Erzählung erkennbar machen. Elias ist der Erinnerer. Er ist derjenige, der mit seinem Blick auf bedeutsame Situationen zurückblickt, sie zum Leben erweckt und schlussendlich durch sie hindurchleidet.
Ganz oft werden Filme und Lieder der 90er Jahre nacherzählt und erklärt, die dazu dienen, um die Losgelöstheit des Protagonisten von seinen Klassenkameraden, seiner Familie und der aktuellen Welt zu verdeutlichen. Denn außer den drei Jugendlichen, und gelegentlich dem Psychiater, hat kein anderer einen Einfluss auf diese Erzählung. Elias, Evi und Polly sind ein Dreiergespann für einen Sommer, ganz fest und unauslöschlich miteinander verbunden, die nicht mehr ohneeinander leben können.
Der Tag, der nie kommt ist ein Jugendbuch, in dem kompliziert, undurchsichtig und verschlossen eine ganz besondere Beziehung geschildert wird, die teilweise konstruiert wirkt und wichtige Beziehungsstrukturen, zum Beispiel zu den Eltern, vollständig außer Acht lässt. Die Jugendlichen befinden sich in einer Blase, die auf schrecklichste Weise explodiert. Dies soll sicherlich zu vielen Überlegungen bezüglich Aggression, Behinderung und Suizid anregen, könnte aber eher zu Unverständnis führen, weil die Figuren in ihrer Einheit so gar nicht gefühlt zusammengehören. Das Verständnis entfaltet sich erst nach der Lektüre, nachdem man sich fragt, warum und wie das alles geschehen ist. Alles geschieht so schnell, was sicherlich den Gemütszustand des Ich-Erzählers sehr gut sichtbar macht, dass man sich als Leser jedoch nur wenig mitgenommen fühlt.
Fazit
Der Tag, der nie kommt ist ein störrisches und anspruchsvolles Jugendbuch, welches seine Wirkung erst nach dem Zuklappen und darüber Nachsinnen entfalten kann. Es ist eine Geschichte, die sehr spannend erzählt ist, verstört und erschreckt und fraglos noch lange nachhallt.
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