Berührende Suche nach der Wahrheit
Dieser Sommer droht, wieder einmal so ein richtig trister Sarah-Nelson-Sommer zu werden. Also Langeweile von der ersten Minute an. Schon will Sarah resigniert aufgeben, denn ihr Vater scheint kein Gehör für ihre Bitte zu haben, nur einmal nicht zu den Großeltern fahren zu müssen. Einziger Lichtblick ist die Aufgabe, die der Lehrer der Klasse gestellt hat, bevor er sie in die Ferien verabschiedete: Sie sollen schreiben. Entweder fiktive oder reale Briefe an irgendjemanden oder Geschichten.
Sarah wählt als Adressaten ihrer Briefe Atticus Finch, eine Romanfigur aus den 60er Jahren. Ihm vertraut sie an, was sie sonst niemandem erzählen kann. Nämlich wie enttäuscht sie von ihrem Vater ist, der nicht nur ihren Geburtstag kaum beachtet, sondern sich auch immer wieder betrinkt. Oder dass sie die Geburtstagskarte ihrer Mutter, die die Familie vor Jahren verlassen hat, weggeworfen hat. Als Sarah erfährt, dass sie ausnahmsweise doch nicht zu ihren Großeltern in die Ferien fahren muss, eröffnen sich ihr ganz neue Möglichkeiten. So macht sie sich daran, das Geheimnis zu lüften, weshalb ihre Mutter vor zehn Jahren versucht hatte, Sarah zu töten – so wie sie den Zwillingsbruder von Sarah getötet hatte.
Viele Emotionen eingefangen
Die Autorin Karen Harrington versteht es meisterhaft, die Geschichte in einem wunderbar leichten Plauderton zu erzählen, obwohl es um wirklich nahrhafte Themen geht. Sarah pflegt eine kecke und trotz allem positive Erzählweise, offenbart dabei jedoch trotz allem ihre Verletzlichkeit und die tiefe Verunsicherung des Kindes, das den Zustand des Vaters als Bedrohung empfindet, aber nicht in der Lage ist, darauf zu reagieren. Nach und nach kann sich Sarah auch der Wahrheit öffnen, die sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht kennt: Den Zustand ihrer Mutter, der dazu geführt hat, dass sie ihre Kinder töten wollte. Sarah kann sich auch nach und nach besser damit auseinandersetzen, dass ihr Zwillingsbruder das Drama nicht überlebt hat.
Nicht nur für Teenager
Es ist leicht zu erkennen, dass die Autorin bei diesem Buch darauf geachtet hat, die verschiedenen Themen auch für jüngere Teenager aufzubereiten. So bleibt trotz der düsteren Ereignisse im Leben von Sarah der Grundtenor positiv. Das Mädchen findet immer wieder Nischen, die ihr einen gewissen Halt geben und ihr erlauben, trotz ihrer Geschichte in die Zukunft zu blicken. Dennoch ist dieses Buch nicht nur für Teenager eine sinnvolle Lektüre. Auch junge und ältere Erwachsene können sich von der Atmosphäre gefangen nehmen lassen und werden Sarah als stimmige und überzeugende Hauptakteurin wahrnehmen. Zudem regt der Roman durchaus auch ältere Menschen zum Nachdenken an und vermittelt einen Weg, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die an sich als große Dunkle Wolke auf der Seele liegen.
Fazit
Briefe an mein verrücktes Leben ist einer der Romane, die man noch lange in den Händen hält, wenn man die letzte Zeile gelesen hat und über dessen Inhalt man nachdenken muss. Das liegt an der Tiefgründigkeit und den angesprochenen Themen, denn die Umsetzung ist sowohl sprachlich wie auch von der ganzen Geschichte her vollauf gelungen.
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