Die Trauer überwinden
Die 16-jährige Tally kann den frühen Tod ihres geliebten Vaters nicht überwinden. Ihre Mutter kann ihr kaum Halt geben – zum einen ist die Mutter mit sich selbst beschäftigt, zum anderen hatte Tally immer ein stärkeres Verhältnis zu ihrem Vater. Als ihre Mutter Tally dazu bewegt, eine Therapeutin aufzusuchen, ist die 16-jährige voller Abwehr. Den Rat, Tagebuch zu führen und damit ihre Gefühle zu verarbeiten, hält sie für absurd. Als Tally jedoch die betagte Frau Möller kennenlernt, beginnt sich ihre Welt zu verändern.
Bei einem ihrer Besuche bei der alten Dame stößt Tally auf das Foto eines jungen Mannes, der einst in den Krieg zog. Sie ist fasziniert von dem Bild und beginnt, sich mit einer fiktiven Geschichte rund um den fremden Mann zu beschäftigen, die nun anstelle der eigenen Gefühle ins Tagebuch fließt. Während Tally bei Frau Möller, deren Liebe zu Marzipan und deren kecker Papagei langsam wieder zu sich findet, beschäftigt sie auf einer anderen Ebene der junge Timo, der ihr irgendwie den Kopf verdreht. Auch wenn sich Tally zunächst nicht in Timos Welt, dem gelebten Christentum, zurechtfindet.
Zu sicher selbst finden
Die Autorin Anni E. Lindner zeigt in ihrem Roman sehr eindrücklich auf, wie intensiv ein Trauerprozess sein kann. Ihre Protagonistin Tally erlebt den Verlust des Vaters als tiefen Einbruch und kann sich zunächst kaum erholen. Mitten in der Pubertät ist Tally gerade damit beschäftigt, zu sich selber zu finden und muss das nun ohne den sicheren Felsen in der Brandung tun. Sehr geschickt verknüpft Lindner diese beiden verschiedenen Lebenssituationen und macht sie für die jungen Leser sichtbar. Tallys Suche, die letztlich auf der langen Lebenserfahrung der in sich ruhenden Frau Möller einen fruchtbaren Boden findet, führt sie aber auch näher an die Religion. Dass nicht nur Tallys beste Freundin Sanna, sondern eben auch Timo ihr Fundament in der einer christlichen Vereinigung haben, kommt deutlich zum Ausdruck, überlagert die Geschichte jedoch nicht.
Spannung und Lebensweisheit
Die Art und Weise, wie die Autorin ihre Protagonistin Erfahrungen sammeln lässt und sie auf ihren Weg führt, ist nachvollziehbar und eingängig. Die Zusammenstellung der verschiedenen Charaktere, inklusive des Papageis, ist gelungen und dient als Grundlage für manch witzige Szene, bietet jedoch vor allem eine gute Möglichkeit, sich mit allen Facetten der Trauer zu beschäftigen und sich dem Leben wieder zuzuwenden. Entstanden ist ein spannendes und nachdenklich stimmendes Werk.
Fazit
Obwohl klar mit einer christlichen Ausrichtung aufgebaut, kann dieser Roman von Anni E. Lindner auch Jugendliche erreichen, die der Religion weniger zugeneigt sind. Die Autorin hat mit Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan ein unterhaltsames, spannendes und tiefgründiges Werk geschaffen.
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