Schlicht gestrickte Menschen – aber viel Pferdeverstand
Als Emily mit ihrer Mutter Johanna nach Neuseeland auswandert, gibt es da nicht so richtig viel, was ihr gefällt: Die Wohnung viel zu klein, die Schule ungewohnt und das neue Umfeld nicht gerade sympathisch. Doch es trifft Emily wie der Blitz, als sie auf einer Auktion ein junges Wildpferd bemerkt, das offensichtlich von seinen Besitzern schlecht behandelt wurde. Spontan kauft Emily das Pferdchen, um es vor einem noch schlimmeren Schicksal zu bewahren. Eines aber hat sie nicht einkalkuliert, nämlich dass ihre Mutter, die zwar beruflich mit Pferden zu tun hat, dieses Tierchen dennoch nicht dulden wird.
Mit harter Hand geführt
Sarah Lark spinnt in ihrem neuen Buch die Geschichte um die Pferde Neuseelands und insbesondere um den Wildhengst Dream mit der silbernen Mähne fort. Eine seiner Töchter – genauso auffällig und ungewöhnlich gefärbt wie er – durchläuft ein aufregendes Schicksal: Sie gerät nach dem Tod ihrer Besitzerin in die Erbmasse, wird verkauft und gerät in nachlässige Hände, bis sie auf einer Auktion von Emily vor einem noch schlimmeren Eigentümer gerettet wird.
Emily wiederum könnte eigentlich auch selbst Hilfe brauchen, steht sie doch immens unter der Fuchtel ihrer Mutter, die rigoros bestimmt, wo es lang geht und die ihr ausgeprägtes Pferdeverständnis beruflich dazu nutzt, Traber mit recht brutalen Methoden zu Höchstleistungen zu treiben; auch die Angestellten des Traberstalls werden von ihr mit harter Hand regiert – etwa Tommy, der junge Maori, der als Fahrer angelernt wird, lernt alsbald die harten Worte von „Miss Johanna“ zu fürchten.
Die Autorin beweist in ihrem Buch, dass sie sich offensichtlich mit Pferden, deren Erziehung und Training und vermutlich auch mit dem Trabergeschäft auskennt. Unglücklicherweise erstreckt sich diese Kenntnis nicht auch auf die handelnden Menschen, sind diese doch recht einfach gezeichnet. Emilys Mutter legt so beispielsweise Züge an den Tag, die landläufig als die der „bösen Hexe“ beschrieben werden könnte. So bestimmt sie nicht nur die Umstände ihres Lebens und das ihrer Tochter, sondern behandelt ihre Angestellten so, als wären sie Leibeigene.
Auch ihr Verhältnis zu den Pferden ist nicht das Beste: Daher ist sie auch zu keiner Debatte bereit, als sich die Frage stellt, ob Emily ihren Spontankauf behalten darf, und das obwohl beide nun direkt an einem großen Trabrennstahl leben und arbeiten, bei dem sich die Platzfrage wohl kaum stellen dürfte.
Unausgewogene Protagonisten
Emily dagegen kann zwar in erster Linie durch den Pferdeverstand punkten und gewinnt eingangs Sympathien allein dadurch, dass sie wesentlich freundlicher auftritt und handelt als ihre Mutter. Dennoch ist sie auch nicht diejenige, die die Macken oder Schwächen anderer mit großer Toleranz behandelt. So ist zwar die neue Mitschülerin Kylie sicherlich eine Nervensäge und ihre Vorliebe für schrille Farben anstrengend, dennoch muss sicherlich nicht nur auf diesen Eigenheiten herumgehackt werden. Hier wünschte man sich beim Lesen manchmal auch etwas mehr Toleranz der „Pferdemenschen“ gegenüber den etwas lauter daherkommenden Mitmenschen.
Es ist also generell nicht so einfach, alle Personen dieses Buches zu mögen. Nicht einfach ist es aber auch, der Handlung zu folgen, wechselt diese doch sprunghaft und ohne erkennbaren Rhythmus zwischen dem Hauptstrang um Emily und ihren Schützling Hope sowie einem Nebenstrang um Sarah und ihrem Hengst Dream.
Fazit
Wer sich einmal in Emilys Geschichte eingelesen hat, möchte trotz der Schwächen wissen, ob ihr Abenteuer ein gutes Ende nimmt. Positiv hervorzuheben sind die Informationen über die Geschichte Neuseelands und insbesondere die Kaimanawa, die heimischen Wildpferde.
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