The Kingdom: Das Erwachen der Seele

  • Oetinger
  • Erschienen: Mai 2022
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aus dem Englischen von Reiner Pfleiderer; Broschur, 320 Seiten

ISBN: 9783751202251

The Kingdom: Das Erwachen der Seele
The Kingdom: Das Erwachen der Seele
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Sabine Bongenberg
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonAug 2022

Spannend wie ein Krimi – mit vielen Fragen

Für viele Menschen ist es ein Traum: Sie sparen mühsam ihr Geld und wenn sie genügend zusammen haben, dann können sie zu dem Erlebnispark „The Kingdom“ reisen. Hier finden sie alle sagenumwobenen Märchengestalten: die wunderschönen Prinzessinnen, die exotischen Meerjungfrauen und jede Liebe folgt den alten Märchengesetzen „happily ever after“ und damit unserem „wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“.

Natürlich könnte man sich jetzt fragen, wie die angestellten Schauspieler es denn schaffen, jeden Tag ihre Rolle überzeugend zu spielen und wie sie es dann auch noch hinbekommen, dass sie alle genau wie im Prospekt aussehen. Hier kommen dann die Väter und Mütter des Erlebnis-Parks zum Tragen: Allesamt sind sie Techniker und Wissenschaftler und sie haben Großes erreicht: Es ist ihnen gelungen, Cyborgs zu schaffen, die eine künstliche Intelligenz in sich verbergen. Sie sehen immer gleich aus, reagieren so, wie sie programmiert wurden und ist man böse, hässlich und gemein zu ihnen, tragen sie einem nichts nach, denn eine Maschine kann man ja so behandeln, wie es einem passt. Bisher war das zumindest auf jeden Fall so. Aber jetzt scheint mit einer der Prinzessinnen-Darstellerin etwas nicht zu stimmen. Zuerst funktionierte sie noch einwandfrei, aber dann kamen immer größere Aussetzer und jetzt auch noch eine Anklage wegen Mordes. Vielleicht sollte man sie doch einfach durch die Schrottpresse jagen? Aber kann eine Maschine denn eigentlich willentlich morden und ist sie überhaupt noch eine Maschine?

Jetzt noch besser – die schöne, neue, optimierte Welt!

Jess Rothenberg lässt ihre Ich-Erzählerin Ana aus einer scheinbar perfekten Welt erzählen: Da das Ökosystem der Erde irgendwann kippte und viele Arten ausgestorben sind, erschufen Techniker eine neue, schönere, bessere, saubere Welt. Hier können die Besucher nicht nur mit Hilfe von tierischen Cyborgs erfahren, wie unser Planet war, als es noch Wildnis gab, sondern sie können auch die Schönheiten der Märchenwelt – natürlich ohne böse Hexen oder missgünstige Stiefmütter – kennenlernen. Man könnte glauben, alles ist perfekt, aber Ana weiß es besser.

Unbewegt und damit umso gruseliger, schildert sie aus ihrer Sicht, wie der Mensch auch wieder dieses Paradies zerstört, indem er alle seine Geschöpfte seinem oft launischen Willen unterwirft und es nicht so wirklich schafft, die Gott-Schöpfer-Rolle zu übernehmen. Ana berichtet daher von Quälereien der tierischen Roboter oder von Missbräuchen ihrer Schwestern – auch wenn letztere nur angedeutet werden. Grandios ist hier auch das Titelbild, das der Oetinger Verlag für das Buch wählte: Wir schauen auf eine junge Frau, die im Dämmerlicht in altmodisch anmutender Unterwäsche mit schüchtern abgewandtem Kopf vor uns sitzt. Die Szene könnte romantisch anmuten, würde nicht ein Arm fehlen und so erkennbar werden, dass sie offenbar ein mechanisches Innenleben hat.

„Gut, dass ihr so hübsch anzuschauen seid, sonst würde ich euch eigenhändig erschießen.“

Ganz schnell bemerkt auch der Leser, dass Ana nicht mehr in einer heilen Welt lebt. Offensichtlich wurde sie verhaftet und in ihre Erzählungen, die sich einem bestimmten Termin nähern, mischen sich immer mehr Protokolle aus Gerichtsverhandlungen. Dieser Wechsel zwischen der betroffenen Ich-Erzählerin und der nüchternen Welt der Justiz schaffen noch einmal einen besonderen spannenden Kontrast und zeigen dem Leser noch einmal mehr, dass schlimme Dinge passiert sind und die Handlung auf diese zusteuert.

Rothenberg stellt die Fragen, wie sie früher schon in „Westworld“ (in den achtziger Jahren in Film und heute in der Serie) gestellt wurden: Wann ist eine Maschine noch eine Maschine oder wann hat sie schon menschliche Züge oder ist sogar ein Mensch? Darf ich eine Maschine quälen, einfach nur weil es eine Maschine ist und ich ihre Erinnerung löschen kann? Kann ich mich einfach zum Gott erheben und immer und einfach weiter neues Leben erschaffen? Diese ganzen Fragen machen The Kingdom zu einem spannenden Pageturner. Ein paar Punkte ziehe ich dennoch ab, weil ich die Liebesgeschichte zwischen Ana und dem Wartungsarbeiter Owen nicht so ganz glauben konnte und auch das recht offene Ende mich nicht ganz überzeugte.

Fazit

Die schöne neue Welt und alle leben glücklich und froh, wie der Mops im Paletot – wir wollen alle hoffen, dass sie nie Realität wird.

The Kingdom: Das Erwachen der Seele

Jess Rothenberg, Oetinger

The Kingdom: Das Erwachen der Seele

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