Du bringst mein Leben so schön durcheinander

Originalausgabe erschienen unter dem Titel Beautiful Mess; aus dem Englischen von Bettina Obrecht; Hardcover, 316 Seiten

ISBN: 9783522202572

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Rita Dell'Agnese
9101

Jugendbuch-Couch Rezension vonApr 2019

Ein Stück Leichtigkeit

Ein Weg, wieder zu sich selbst zu finden

Sie sind beide jung und verstört: Ava und Gideon. Seit sich Avas beste Freundin Kelly aus dem Leben geschlichen hat, ist für die Teenagerin nichts mehr so, wie es mal war. Ava vermisst Kelly und versucht, ihren Schmerz damit zu betäuben, dass sie mit Kellys Bruder Lincoln schläft. Doch es fühlt sich nicht so gut an, wie es sollte. Der Schmerz vergeht nicht. In ihrer Trauer rebelliert Ava in der Schule und fliegt raus. Die neue Schule ist eine Einrichtung für Jugendliche, die es nicht schaffen, im Leben vorwärts zu kommen. Obwohl sich Ava nun erst recht als Loserin fühlt, ist die neue Schule gar nicht so übel. Außerdem lernt sie bei ihrem Aushilfsjob in einem Fastfood-Restaurant Gideon kennen. Gideon, den Jungen, der zwei Mütter, aber keinen Vater hat. Und der sich nichts zutraut. Außer Poetry-Slammen. Da ist Gideon ein richtiger Crack. Und Gideon schreibt Briefe. Ava lässt sich darauf ein, antwortet auf die Briefe und lernt nach und nach diese Form der Kommunikation schätzen. Sie und Gideon kommen sich auf eine Weise näher, die Ava nicht für möglich gehalten hätte. Sie fühlt sich mit dem schüchternen Jungen verbunden; die gegenseitigen Briefe werden zu einem Halt für beide.

Zwei Menschen mit tiefen Wunden

Claire Christian hat alles richtig gemacht. Die Autorin hat zwei Charaktere entworfen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch vieles gemeinsam haben. Denn beide stehen am Rande der Gesellschaft, können sich nicht in die „Normalität“ einfügen. Wohl auch, weil ihre Geschichte nicht der Norm entspricht. Ava lebt bei ihrem Vater, die manisch-depressive Mutter hat die Familie längst verlassen, inzwischen wieder geheiratet und ein zweites Kind geboren. Ava erlebte dadurch schon früh, was es heißt, sich verlassen zu fühlen. Umso schlimmer für sie, dass ihre beste Freundin Kelly sich das Leben nimmt. Ava kann nicht verstehen, wie das geschehen konnte. Sie fühlt sich verraten und erneut verlassen. Sie trauert exzessiv um Kelly, verliert damit den Tritt und manövriert sich noch mehr an den Abgrund.

Gideon ist das Kind eines lesbischen Paares. Er fühlt sich in seiner Familie aufgehoben, zeigt aber leicht autistische Züge und kann sich kaum in der Gesellschaft bewegen. Halt findet Gideon beim Poetry Slam, der für ihn zu einer wichtigen Ausdrucksform wird.

Aus zwei Sichtweisen

Um diese beiden Charaktere wirkungsvoll zusammenzubringen, hat die Autorin zwei Perspektiven gewählt. Kapitelweise erzählt sie die Geschichte aus der Sicht von Ava und Gideon. Das macht das Buch lebendig und verleiht ihm Eindringlichkeit. Es fällt nicht schwer, sich mit den beiden zu identifizieren, obwohl Ava und Gideon ganz unterschiedlich ticken. Durch den Briefwechsel bekommen ihre Gedanken eine Form, die die Seelen offenlegen. In vielen Gedanken und Ängsten können sich die Leserinnen und Leser ansatzweise wiederfinden. Die Ängste Gideons sind zwar weit ausgeprägter als die Ängste einer durchschnittlichen Person, doch im Grunde sind sich die Gefühle ähnlich. Ebenso die Verzweiflung Avas, die nicht loslassen kann, nach Ersatz sucht und doch nicht über die Lücke in ihrem Leben hinweg kommt. Das Thema Loslassen wie auch die Schuldgefühle, die Ava in sich trägt, weil sie Kellys Selbstmordabsicht nicht rechtzeitig erkannte und ihren Tod nicht verhindern konnte, finden sich ansatzweise ebenfalls in vielen Gedanken von Jugendlichen wieder.

Süffige Sprache

Claire Christian bringt es zustande, Ava und Gideon verschiedene Stimmen zu verleihen und damit die beiden Charaktere zu glaubwürdigen Figuren auszugestalten. Obwohl sie die Situation mit etwas vielen Brennpunkten belädt, bleibt es eine authentische Geschichte, die nicht nur ein jugendliches Publikum anzusprechen vermag. Die Autorin bedient sich einer süffigen Sprache, die auch durch die Übersetzung nichts von ihrer Kraft verliert, und nimmt ihr Publikum mit in die Welt von Ava und Gideon.

Fazit:

Die Geschichte von Ava und Gideon nimmt viele Facetten auf, präsentiert diese aber in gut verdaulichen Portionen. Die beiden Protagonisten kommen ihren Lesern nahe, ihre Handlungen sind trotz extremen Ausschlägen gut nachvollziehbar. Du bringst mein Leben so schön durcheinander ist gleichzeitig eine nachdenklich stimmende Lektüre und ein Stück Leichtigkeit. Diesen Spagat schafft die Autorin hervorragend und glaubwürdig.

Du bringst mein Leben so schön durcheinander

Claire Christian, Thienemann

Du bringst mein Leben so schön durcheinander

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