Eine Freundschafts- und Detektivgeschichte, die ganz sicher nicht nur pferdebegeisterte Leser erfreuen wird
Jola hat ihren Vater dazu überreden können, vorerst auf dem Ginsterhof zu bleiben. Dieser wird von der quirligen Familie Weber bewohnt. Ein weiterer Anziehungspunkt ist das geheimnisvolle Pferd "Ghost", das plötzlich eines Nachts im Reitstall der Webers aufgetaucht ist. Zusammen mit ihrer neuen Freundin Katie, versucht Jola, dessen Geheimnis zu ergründen.
Jola leidet sehr unter dem unsteten Aussteigerlebens ihres Vaters. Nach zwei Jahren in Neuseeland soll der Ginsterhof, ein Reiterhof, und seine turbulenten Bewohner nur eine erste Anlaufstelle für Jola und ihren Vater sein, aber Jola fühlt sich dort wohl und dazugehörend und so gelingt es ihr, ihren Vater dazu zu überreden vorübergehend als Mieter in der Gästewohnung der Webers zu bleiben.
Und da ist noch das geheimnisvolle weiße Pferd, das eines Nachts vor drei Monaten plötzlich im Reitstall der Webers aufgetaucht ist.
Jola ist fest davon überzeugt, dass es ein Gespenst ist und nennt es daher "Ghost". Auch die anderen Pferde reagieren auf seine Anwesenheit schreckhaft, als ob sie spüren würden, dass er kein normales Pferd ist.
Mit konventionellen als auch ziemlich unkonventionellen Mitteln versucht Jola, etwas über das Geisterpferd herauszufinden
Sogar mit Hilfe eines Geisterbretts versucht Jola mit "Ghost" Kontakt aufzunehmen; doch alle Versuche, auf diese Weise etwas über ihn herauszufinden, schlagen fehl.
Mit der jüngeren Tochter des Hauses, Katie, die zugleich ihre neue Freundin ist, versucht sie, auch mit konventionelleren Mitteln etwas über ihn zu erfahren. Zwar bringt ihre große Suchaktion nach Hinweisen zu "Ghosts" Herkunft oder warum er auf dem Ginsterhof "spukt", nicht viele Indizien, aber sie und auch der Leser ahnen durch den allerletzten Satz, dass Katies Großvater irgendwie mit dem geheimnisvollen Pferd verbunden ist.
Wie schon im Vorgängerband wird in die Haupthandlung in kurzen und knappen Kapiteln eine Nebenhandlung um das Mädchen Lotte eingeflochten, jedoch recht sprunghaft und quasi nur andeutend.
Mittlerweile befinden wir uns im letzten Kriegswinter. Lotte ist mit Wolkenherz, dem fabelhaftem schwarzen Hengst ihres Freundes Max, auf der Flucht vor der herannahenden russischen Armee. Auch in diesem Band findet der Leser keine deutlichen Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Haupt- und Nebenhandlung und ist wieder einmal auf seine Fantasie angewiesen.
Dieser zweite Band der Wolkenherz-Trilogie kann zwar auch unabhängig gelesen und verstanden werden, es wäre jedoch schön gewesen, auch zur Auffrischung eine kurze Inhaltsangabe des ersten Bandes und eine Zeittafel zu den historischen Zusammenhängen vorzufinden.
Die Nebenhandlung um das Mädchen Lotte liest sich sehr spannend und unterstreicht den geheimnisvollen Charakter dieser Trilogie. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob die angesprochene Zielgruppe der Zwölf- bis Dreizehnjährigen, so weit mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges vertraut ist, dass sie von selbst an die legendäre Flucht der Trakehnerpferde im letzten Kriegswinter über die gefrorene Ostsee denkt. Vielleicht führt dieser Kunstgriff jedoch dazu, dass mancher den Verlauf des zweiten Weltkrieges nachschlägt.
Eine lebensnahe Pferde- und Geistergerschichte
Es gelingt der Autorin in beiden Handlungssträngen, ihre Charaktere zum Leben zu erwecken. Sehr schön arbeitet sie heraus, warum Jola sich bei den Webers so wohl fühlt und wie sie langsam in ihren neuen Alltag hineinfindet. Lobend ist auch hervorzuheben, dass der Verlag der Autorin die Freiheit gelassen hat, diese Geschichte so breit in einer Trilogie anzulegen. Diese Freiheit hat die Autorin zum Vorteil ihrer Leser/innen umgesetzt, in dem sie es ihnen ermöglicht, mühelos in die besondere Welt des Ginsterhofes abzutauchen.
Die Geschehnisse um das Mädchen Lotte kommen zwar düsterer daher, aber es gelingt Sabine Giebken eine vergangene Zeit zum Leben zu erwecken und so überzeugend zu schildern, dass ihre Leser/innen unversehens und mühelos in die dramatischen Ereignisse gezogen werden und das Buch sicherlich nicht mehr zur Seite legen möchten.
Die Sprache ist zwar locker und alltagsnah, überrascht jedoch zuweilen mit poetischen Wortbildern, die die Vorstellungskraft der Leser/innen anregt, ohne zu überfordern.
Wie im Vorgängerband wird traditionelles Rollenverhalten in Frage gestellt, Vater Weber arbeitet zu Hause, die Mutter leitet selbstständig den Reiterhof. Küche und Kindererziehung bleiben jedoch hauptsächlich ihre Ressorts.
Werte wie Freundschaft und Familie werden groß geschrieben
Statt der in vielen Jugendbüchern fast obligatorischen Liebesgeschichte, werden Werte wie Freundschaft und Familie groß geschrieben. Zwar wohnen bei der Familie Weber - zusammen mit dem Großvater - drei Generationen unter einem Dach und die Familie hält in Krisensituationen zusammen, eine unrealistische "Heile Welt"-Stimmung kommt jedoch nicht auf. Wie im wirklichen Leben streiten die Geschwister auch mal untereinander oder sie haben Stress mit den Erwachsenen wegen der Schule.
Fazit:
Zwar signalisiert des Titelbild (die weichgezeichnete Halbansicht eines weißen Pferdes) ein Pferdebuch und das Buch enthält auch eine kräftige Dosis Reiterhofromantik, dennoch handelt es sich eher um eine Freundschafts- und Detektivgeschichte, die ganz sicher nicht nur pferdebegeisterte Leser erfreuen wird.
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