Was die Welle nahm

  • Dressler
  • Erschienen: Januar 2014
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Hannah und Nikki bekommen das perfekte Angebot: Aus Australien, wo sie versucht haben, sich mit Minijobs über Wasser zu halten, sollen sie auf einer Insel im Pazifik auf einer Perlen-Farm arbeiten. Natürlich nehmen sie das unschlagbare Angebot an, doch als sie die harte Arbeit in traumhafter Kulisse kennen lernen, müssen sie feststellen, dass doch nicht alles so perfekt ist wie es scheint. Und schon müssen sie sich fragen, was wirklich ist und was für ein Spiel überhaupt gespielt wird.

Die Insel fängt an wie ein typischer Roman für Mädchen: Hannah hat gerade ihr Abitur hinter sich und ist auf Weltreise. In Australien hat sie Nikki kennen gelernt, die vor allem shoppen, Kerle und Party im Kopf hat, Themen denen Hannah auch nicht abgeneigt ist, auch wenn sie nicht den unbändigen Enthusiasmus wie Nikki aufbringen kann. Als sie gerade finanziell kritisch dastehen und sich fragen, wie sie die nächsten Wochen ohne Job überstehen sollen (Dass Nikkis Kreditkarte gesperrt wurde hebt die Stimmung nicht unbedingt) macht ihnen Luke ein Angebot. Luke, der gutaussehende Surfer, der ihnen eine gut bezahlte Arbeit anbietet, in einer Umgebung, in der andere Menschen Urlaub machen: Auf einer Perlenfarm auf einer kleinen Insel im Pazifik. Hannah, die an Horrorgeschichten über Entführungen von Backpackerinnen in Australien denken muss, ist skeptisch, aber Lukes Charme, die Aussicht auf gute Bezahlung und das Prospekt mit Bildern von schneeweißen Sandstränden überzeugt erst Nikki und dann auch Hannah.

Als die beiden aufbrechen, müssen sie enttäuscht feststellen, dass Luke sie nur rekrutiert hat und sie nicht begleitet, aber als sie auf dem kristallklar blauen Wasser landen und mit dem Motorboot zur Insel fahren sind ihre Zweifel wie ausgelöscht. Es ist wie in den Prospekten, wenn nicht sogar noch schöner: Die Sonne scheint, das Wasser ist klar, der Strand weiß und die Hütten, in denen sie wohnen sollen zwar spartanisch aber ausreichend. Mit einer Gruppe von anderen Jugendlichen werden Hannah und Nikki eingewiesen. Ihre Arbeit ist nicht so schön wie das Umfeld, aber das Muscheln putzen, spülen und pflegen auf hoher See ist der Preis, den man für die freie Verpflegung, die regelmäßigen Mondschein-Partys am Strand und das ganze wohl zahlen muss.

Ist die Idylle nur Fassade?

Eine der wichtigsten Regeln für die Leute im Camp ist: Der Dschungel ist tabu! Warum genau fragt niemand, es ist eigentlich auch egal, denn der Strand ist schön genug und nach der härter als gedachten Arbeit fallen die meisten ohnehin müde ins Bett; natürlich erst nachdem sie am Strand den ein oder anderen Drink und mit den anderen Spaß hatten. Als Hannah sich eines Abends von der Gruppe entfernt, denkt sie über ihre Mutter nach, und den Spruch, den sie in ihrem Tagebuch gefunden hat: Mete bab ou alantrap. Sie weiß weder, was das bedeuten soll, noch welche Sprache das überhaupt ist, aber in ihrem Hostel stand es an der Wand der jungen Frau, die kurz vor ihrer Abreise überfahren wurde. Wie sie so in Gedanken dasitzt, lernt sie Aiden kennen, der sie direkt in seinen Bann zieht. Im Mondlicht und der Umgebung wirkt er wie von einem anderen Stern und Hannah verguckt sich innerhalb der ersten paar Minuten in ihn. Dann ist er plötzlich wieder weg und von den anderen hat ihn auch niemand gesehen. Mysteriös.

Als sich Hannah doch über das Verbot hinweg setzt und in den Dschungel geht, macht sie eine schockierende Entdeckung: Schwer bewaffnete Wachen und ein Bunker mit merkwürdig aussehenden, wahrscheinlich für Experimente benutzten Apparaturen. Und auf einmal scheint es nicht mehr nur eine Perlenfarm auf einer Insel im Pazifik zu sein, sondern ganz viel mehr. Ist es Schicksal? Ist dies die Insel, auf der schon ihre Mutter war und vor der sie Hannah gewarnt hat? Aber der Sand am Strand ist hier weiß und nicht schwarz. Die Fassade fängt an zu bröckeln und es stellt sich peu a peu heraus, dass die Insel noch sehr viel mehr birgt und das Unternehmen mehr als nur ein wenig Dreck am Stecken hat. Denn von der Insel weg zu kommen ist gar nicht so einfach, wie plötzlich allen klar wird.

Thriller mit Anlaufschwierigkeiten

Die Insel mutet in den ersten Kapiteln an wie ein Reise-Ferien-Mädchen-Roman und ist alles andere als von der ersten Seite an mitreißend. Die Spannung entwickelt sich langsam, steigert sich im Laufe des Buches aber immer wieder und immer mehr und insgesamt handelt es sich um einen sehr spannenden Thriller. Die Handlung ist wenig voraussehbar, die Verwirrung der Charaktere überträgt sich durch den geschickten Umgang mit Sprache und Layout-Raffinessen auf den Leser. Und so wird „Die Insel" zu einer Achterbahn der Gefühle und der Leser muss sich ebenso wie Hannah ständig fragen, was eigentlich noch wirklich, was Traum ist oder ob man nicht doch schon in der Hölle oder im Himmel ist. Die Vermutung von Hannah, sie sei gestorben und befände sich in der Hölle, ist vielleicht etwas dick aufgetragen von der Autorin, aber im Kontext absolut plausibel und nicht so absurd, wie sich das jetzt anhören mag.

Fazit

Mir hat der Thriller anfänglich nicht so gut gefallen, jedoch mit jeder weiteren Seite konnte ich mich dem Sog der Spannung weniger entziehen. Die letzten Kapitel haben mich dann bis spät in die Nacht wach gehalten. Die Insel ist eine Empfehlung für alle ab 14!

Was die Welle nahm
Was die Welle nahm
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Rita Dell'Agnese
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonFeb 2015

Vom Umgang mit der Wahrheit

Manchmal träumt Lukas davon, wie das Wasser sich alles holt, was ihm wichtig ist. Es ist die Folge davon, dass sein Vater vor zehn Jahren in Thailand durch den Tsunami das Leben verlor. Lukas, der seither mit seiner Mutter Anja in einer bescheidenen Wohnung in Berlin lebt, möchte mehr über seinen Vater wissen. Aber immer, wenn er die Rede auf den Vater bringt, weichen die Erwachsenen aus. Als Anja mit ihrem Freund in den Urlaub fährt und ihren 14-jährigen Sohn alleine zu Hause lässt, beginnt Lukas, Nachforschungen anzustellen, um das Schicksal seines Vaters zu ergründen. Der Junge rechnet nicht damit, dass er dabei auf Dinge stoßen wird, die ihm stark zu schaffen machen. Langsam beginnt er, zu verstehen. Gleichzeitig wird aber alles in Frage gestellt – unter anderem auch die Ehrlichkeit seiner Mutter Anja. Es fällt Lukas nicht leicht, mit der neuen Situation umzugehen, zumal er durch die Situation für einige Tage mehr oder weniger ganz auf sich zurückgeworfen wird. Einzig sein Freund Birol gibt Lukas Halt und steht ihm auch mal zur Seite, wo's brenzlig wird.

Was die Welle nahm ist ein Buch, in dem es um Wahrheit geht – und darum, wie man mit der Wahrheit umgeht. Obwohl Autorin Vera Kissel nicht direkt den Mahnfinger hebt, so setzt sie doch ein großes Fragezeichen hinter das Verhalten von Anja, die Lukas im Ungewissen leben lässt und damit dem Jungen mehr antut, als sie selber ahnt. Sowohl die Jugendlichen als auch die erwachsenen Leserinnen und Leser dürften sich mit der Figur Anja schwer tun. Sie nimmt die Mutterrolle auf eine eigene, äußerst Ich-bezogene Weise wahr und verweigert damit Lukas wichtige Grundlagen. Man mag der Mutter zugutehalten, dass der Junge mit ihr nicht über seine Albträume spricht und damit auch nicht deutlich macht, wie sehr er unter dem Verschwinden des Vaters und vor allem dem Schweigen der Erwachsenen um ihn herum leidet. Bei näherem Hinsehen allerdings mag man sich die Frage stellen, weshalb die Mutter die seelische Not ihres Jungen nicht erkennt.

Interessant ist die Weise, in der sich Lukas auf die Suche nach der Wahrheit macht. Grundlage ist ein an seine Mutter adressierter Brief, der ihm zufällig in die Hände fällt. Erst mal stutzig geworden, will Lukas nun die ganze Wahrheit wissen und beginnt zunächst unstrukturiert, später immer gezielter mit seinen Nachforschungen. Dabei bleibt er aber in jeder Hinsicht das, als was er von der Autorin beschrieben wird: Als ein 14jähriger Junge, der seine eigene Identität noch nicht gefunden hat und zwischen Kind sein und erwachsen werden hin und her pendelt. Natürlich kann Lukas an seinen neuen Erkenntnissen wachsen – und ebenso natürlich muss er auch neue Wege finden, mit seiner Mutter umzugehen. Denn der Teenager stellt sie in Frage, was nicht nur sie, sondern auch ihn selber fordert.

Gefordert sind letztlich auch die Leserinnen und Leser. Dies vor allem durch den ungewöhnlichen Schreibstil, den Vera Kissel für dieses Buch gewählt hat. Sie versucht, durch eine spezielle Schreibweise, das zeitweilige Weglassen von Interpunktionen und eine abgehackte Sprache das Denken des Jugendlichen darzustellen. Leider vermag dies wenig zu überzeugen und legt sich etwas hemmend auf den Roman. Die wohl als originell gedachte Schreibweise eignet sich jedoch nicht als Stilmittel und trägt vor allem weder zur Identifikation mit dem Protagonisten bei, noch lässt sie Spannung aufkommen. Obwohl man sich mit der Zeit an den seltsamen Sprachrhythmus gewöhnen mag, überzeugen kann er nicht. Man nimmt ihn bestenfalls kommentarlos hin.

FAZIT

Vera Kissel hat ein äußerst feinfühliges Buch geschrieben, das den jungen Lukas altersgerecht eine folgenreiche Entdeckung machen lässt und den Lesern quasi nebenbei die schlimmen Momente des Tsunami in Erinnerung ruft. Sie macht aber mit der gewählten, nur sperrig lesbaren Sprache einen Teil dieses tiefgründigen und über weite Strecken überzeugenden Romans leider wieder zunichte.

Was die Welle nahm

Vera Kissel, Dressler

Was die Welle nahm

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