Tote essen kein Fast Food

  • Kosmos
  • Erschienen: Januar 2013
  • 0
  • Kosmos, 2013, Originalausgabe
Tote essen kein Fast Food
Tote essen kein Fast Food
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Rita Dell'Agnese
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonAug 2013

Ernste Themen locker aufbereitet

Dass ihr Vater beschlossen hat, Urlaub auf Sylt zu verbringen, sagt Fanny ganz und gar nicht zu. Die 16jährige fürchtet, dass die Ferien sterbenslangweilig werden. Dazu tauchen plötzlich Vaters neue Freundin Svea und ihre 10jährige Tochter Frida auf Sylt auf. Für Fanny ist klar, dass damit der Tiefpunkt erreicht ist. Seit ihre Mutter mit dem Fechtlehrer Benno das Weite gesucht hat, klappt ohnehin kaum mehr etwas in Fannys Leben. Widerwillig muss sich Fanny dann aber eingestehen, dass die Tage in Sylt nicht nur schlechte Seiten haben: Sie lernt Jan kennen – und sie stößt auf geheimnisvolle Bunker aus der Vergangenheit. So lassen sich die Ferien schließlich doch besser an, als erwartet. Aber irgendetwas in den Bunkern ist faul…

Die Ich-Erzählerin Fanny entspricht ganz einer 16jährigen, die mit der momentanen Situation nicht ganz klar kommt, ohne aber genau zu wissen, was sie denn wirklich möchte. Sie leidet unter der Trennung ihrer Eltern – und macht zunächst ihre Mutter für das Scheitern der kleinen Familie verantwortlich. Zwar sieht Fanny auch die Fehler des Vaters, der als Archäologe viele Jahre lang auf Ausgrabungsplätzen weit entfernt von der Familie lebte, doch mag sie der Mutter ihren Egoismus nicht verzeihen. Selbst der Umstand, dass ihre Mutter sie in ihre neue Heimat Berlin mitnehmen wollte, vermag Fanny zunächst nicht über deren Entscheidung, den Vater zu verlassen, hinweg trösten. Die Ich-Erzählerin begegnet der Mutter denn auch vornehmlich mit viel Sarkasmus und einer altersgerechten Trotzhaltung.

Umso größer wiegt der vermeintliche Verrat, als auch im Leben des Vaters eine neue Partnerin auftaucht. Fanny nimmt sich vor, Svea nicht zu mögen – und Frida schon grad gar nicht. Nur dass die Art von Svea ihr etwas den Wind aus den Segeln nimmt. Und auch Frida ist nicht ganz die Nervensäge, die Fanny in ihr vermutet hätte.

Die persönliche Entwicklung, die Fanny macht, ist in diesem Roman also sehr gut dargestellt. Mit einem leicht frechen Unterton schildert die Ich-Erzählerin ihre widersprüchlichen Gefühle und holt sich so bei der Leserschaft Sympathiepunkte. Wer könnte dem Mädchen diese Gefühle nicht nachempfinden? Selbst das Bemühen von Fanny, Frida doof zu finden, entspricht ganz dem Bild, das sich in vielen Patchwork-Familien bietet. Die Autorin Karin Baron hat den richtigen Ton gefunden, um dieses Thema zu beleuchten und Jugendlichen in ähnlicher Situation zu signalisieren, dass solche Gefühle absolut normal sind, aber nicht unbedingt zum Ziel führen.

Ergänzt wird der Roman durch Krimi-Elemente. Hier geht es um ein verschwundenes Mädchen, mit dem sich Fanny immer stärker zu identifizieren beginnt. Was, wenn sie selber verschwunden wäre? Besonders geschickt baut die Autorin über die eingestreuten Briefe einer Unbekannten an deren Mutter Spannung auf. Zwar können die Leser vermuten, dass es sich hier um ein Lebenszeichen der verschwundenen Mia handelt, doch sicher sein dürfen sie nicht. Denn Karin Baron hat einige recht unerwartete Wendungen in ihren Roman eingebaut. Sie erhalten die Spannung und lassen die Leser rätseln, in welchem Zusammenhang die verschiedenen Ereignisse stehen.

Natürlich geht es nicht ohne Liebe. Die aufflammenden Gefühle zwischen Jan und Fanny sind amüsant und das Geplänkel zwischen den beiden gibt dem Roman eine luftige Note. Leider wird diese Luftigkeit etwas zunichte gemacht mit den doch ausgiebigen Schilderungen über die Bunkeranlagen auf Sylt. Während Handlung und Dialoge sich sehr flüssig lesen lassen und mit einer großen Leichtigkeit serviert werden, liegen die Schilderungen wie schwere Steine auf dem Geschehen. Der Eindruck, hier noch quasi eine Geschichtsstunde serviert zu bekommen, drückt etwas auf den Lesegenuss – auch wenn das vermittelte Wissen es durchaus wert ist, sich näher mit dem Thema zu befassen. Es ist wohl der Gegensatz zwischen der saloppen Art der Ich-Erzählerin und der leicht schulmeisterlich anmutenden Exkursion in die geschichtliche Vergangenheit Sylts, der die Lektüre stellenweise etwas zäh macht.

Fazit:

Karin Baron serviert einige ernste Themen locker aufbereitet. Sie schafft glaubwürdige, sympathische Charaktere und gibt dem Leser einen Eindruck der Stimmung auf Sylt wieder. Ohne die hemmenden Elemente hätte sich der Roman eine Spitzenwertung verdient. So ist er jedoch vor allem eine gelungene Unterhaltung für verregnete Stunden.

Tote essen kein Fast Food

Karin Baron, Kosmos

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