Ich bin´s, Alice!

  • Boje
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Boje, 2010, Titel: 'Alice in time', Originalausgabe
Ich bin´s, Alice!
Ich bin´s, Alice!
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Wer stellt sich nicht vor, was er alles ändern würde, wenn er noch einmal in die Vergangenheit zurückkehren könnte? Aber was kann eine Siebenjährige schon daran ändern, dass sich ihre Eltern trennen? Alice wird durch einen merkwürdigen Zufall sieben Jahre in die Vergangenheit zurück katapultiert und erhält damit eine einmalige Chance.

Penelope Bush erzählt in ihrem Jugendroman von der 14-jährigen Alice. Ihre Eltern sind geschieden und sie hat einen nervigen, kleinen Bruder, mit dem – so glaubt sie – ihr Unglück erst angefangen hat. Ihre Eltern trennten sich kurz nach Rorys Geburt. Von ihrem Vater weiß sie, dass ihre Mutter ihn hinausgeworfen hat. Dabei hat sie eine große Wut auf ihre Mutter und sogar auf ihren kleinen Bruder, den sie das spüren lässt, wo sie nur kann.

Doch ihr Unglück ist auch "hausgemacht". In Tagträumen zieht sich Alice immer wieder in ihre Traumwelten zurück, in denen sie u.a. darüber fantasiert, dass ihr Vater sie in ein neues, großes Haus holt, wo sie ein wunderschönes Zimmer und einen Schrank voller schicker Klamotten bekommt. Jeder Wunsch würde ihr dann von den Augen abgelesen – und das Beste: Sie könnte endlich von ihrem nervigen Bruder und ihrer schrecklichen Mutter weg. Um ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen, muss sie nur noch ihren Vater fragen, sie muss nur abwarten, wann der richtige Moment gekommen ist. Dabei Alice will so einiges nicht sehen: Ihr Vater geht noch immer gerne aus, trinkt mit seinen Kumpels einen über den Durst und verliert auch weiterhin ständig Geld durch das Glücksspiel.

Aufrecht hält Alice die beginnende Romanze mit dem Zehntklässler Seth – der erst einmal ganz ihr Geheimnis bleibt. Weder ihrer Mutter kann sie von ihm erzählen, noch ihrer eigenwilligen und einzigen Freundin Imogen. Um ihn treffen zu können, muss Alice schließlich beide belügen. Und natürlich fliegt sie dabei auf. Bei dem Streit wirft Imogen Alice vor, dass sie total selbstsüchtig sei und sich nur um sich selbst drehe. Für Alice ist das zu viel. Sie läuft davon, doch zu ihrem Vater kann sie nicht gehen, der ist selbst wieder vor seiner Verantwortung davongelaufen.  Allein im Park setzt sich Alice wieder auf das Karussell, auf dem sie Seth erst vor wenigen Minuten geküsst hat. Sie dreht sich  – und landet schließlich in ihrem Körper als Siebenjährige.

Penelope Bush erzählt in ihrem Debüt-Roman von einem Reifeprozess der ganz besonderen Art. Die nun wieder Siebenjährige Alice muss mit dem Verstand einer 14-jährigen feststellen, dass die vermeintliche Wahrheit, an die sie die letzten sieben Jahre fest geglaubt hat, sehr trügerisch ist.

Geschickt lässt die Autorin die vormalige Lebenseinstellung von Alice zunächst in gutem Licht dastehen – schließlich erleben wir Alices Geschichte auch ganz aus ihrer Perspektive. Doch schon hier spürt man auch als Leserin, dass Alice mit ihrer Haltung nicht wirklich glücklich sein kann: Nicht damit, dass sie ständig ihre Mutter anfeindet oder ihren Bruder schikaniert und auch nicht damit, dass sie ein ziemlich einsames Dasein fristet. "Ihre" Imogen lässt keine anderen Freunde zu, dabei sehnt sich Alice so sehr nach der fröhlichen Clique um Lucy, einer ihrer Mitschülerinnen.

Die Kindheit aus der Perspektive eines Teenagers noch einmal zu erleben hat etwas Abenteuerliches. Manchmal komisch, manchmal tragisch balanciert Penelope Bush zwischen den Welten und lässt Alice ihre Überlegenheit geschickt ausspielen – auch im Hinblick auf ihre spätere Erzfeindin, was sie zunächst ziemlich auskostet. Doch sie begreift, dass sie an den Scheidepunkt ihres bisherigen Lebens zurückgeschickt wurde, um etwas zu tun. Aber was genau wäre das Richtige? Sie merkt, dass es unmöglich ist, als Siebenjährige das Schicksal so vieler Menschen in andere Bahnen zu lenken.

Alice wirkt – nicht nur zuletzt durch die Verantwortung für ihren kleinen Bruder, die sie nach der Trennung ihrer Eltern übernehmen musste - schon sehr erwachsen, doch gleichzeitig spürt man auch ihre eingeschränkte Perspektive, die nun einmal ganz normal ist für jemanden, der 14 Jahre alt ist. Dabei unterhält Penelope Bush bestens durch Alices´ klare Schlüsse, die sie aus ihrem bisherigen Leben zieht – oft wirken sie messerscharf, doch müssen sie nicht unbedingt richtig sein und können sich am Ende sogar ins Gegenteil umkehren. Dieser Spannungsbogen, zusammen mit der beginnenden Romanze zu dem Zehntklässler Seth, macht unbedingt neugierig auf mehr. Penelope Bush hält gerade zum Ende hin einige Überraschungen parat und lässt ihre Leserinnen an dem Prozess teilhaben, wie ihre Heldin an den Erlebnissen wächst.

Penelope Bushs Schreibstil liest sich flott und mühelos. Oft trifft sie mit ihren bildlichen Vergleichen und ihrer unkonventionellen Art, die Dinge durch Alices Augen zu zeigen, den Nagel auf den Kopf. Sie lässt ihre Leserinnen an Alices Gefühlen teilhaben, wertet diese auf keine Weise und lässt ihnen so die Möglichkeit, die Stolpersteine in Alices Leben selbst zu entdecken. Stets aus der Ich-Perspektive geschildert, ist es klar, dass es auch mal etwas lockerer zugehen kann. Doch der sonst sorgfältig gewählte Sprachstil verträgt sich nicht mit allzu derben Formulierungen, wie sie an wenigen Stellen eingesetzt werden – vielleicht, um das Erzählte authentischer wirken zu lassen. Doch ich finde, dass es dann so stört, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Gestört haben mich leider auch ein paar Druck- und Schreibfehler, die sich in dem vorliegenden Exemplar eingeschlichen haben.

FAZIT

Auch Kleinigkeiten können die Zukunft gewaltig verändern. Ein spannender Roman über eine 14-jährige, die durch die Reise zurück in ihre Kindheit begreift, dass man sein Leben nur dann ändern kann, wenn man bereit ist, sich selbst zu ändern. Die Autorin Penelope Bush lässt ihre Heldin den wahren Verlauf ihrer Kindheit noch einmal erleben und schenkt so Mutter und Tochter – die ihrer Zeit um Jahre voraus ist – eine neue Chance.

Ich bin´s, Alice!

Penelope Bush, Boje

Ich bin´s, Alice!

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