07.2012 Facebook, Schwärmerei, ehemalige Hippie-Eltern, Schulprobleme, Ferien auf einem Bio-Bauernhof ...
Zoe Becks "Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse" ist ein amüsanter Streifzug durch das Leben eines sympathisch normalen Teenagers, der Erwachsene und Jugendliche gleichermaßen begeistert. Wir freuen uns daher sehr, dass Zoe Beck Lust und Zeit für ein Interview hatte.

Jugendbuch-Couch:
auf deiner Homepage kann man nachlesen, dass du 1975 geboren wurdest, zweisprachig aufgewachsen bist und zwischen Deutschland und Großbritannien hin und her pendelst.
Wo hast du denn den Großteil deiner Kindheit verbracht? Verrätst du uns, welcher Teil Großbritanniens deine zweite Heimat ist?

Zoe Beck:
Die Sprache gelernt habe ich durch Verwandte aus den USA und Kanada, und seit ich 12 war, war ich regelmäßig auch für längere Zeit in England. Erst zu Schulzeiten in der Nähe von Reading, also westlich von London, wo ich auch immer wieder oft und gerne war, und später zum Studium in Nordengland, genauer Durham und Newcastle-upon-Tyne, und anschließend Edinburgh, wo ich in den letzten Jahren sehr viel Zeit verbracht habe. Ich tu mich generell mit dem Heimatbegriff sehr schwer, aber wahrscheinlich war die Zeit in und bei London am prägendsten weil aufregendsten für mich.

Jugendbuch-Couch:
Mit drei Jahren hast du begonnen, Klavier zu spielen, hast bald darauf an Wettbewerben teilgenommen und gewonnen und sogar Konzerte gegeben.
Und wann hast du deine Liebe zur Literatur entdeckt? Kannst du dich an deine ersten Schreibversuche erinnern - und magst du uns davon berichten?
Wann und warum hast du beschlossen, Autorin zu werden?

Zoe Beck:
Gerne gelesen hab ich schon immer. Nase ins Buch stecken gehörte für mich genauso dazu wie mich ans Klavier zu setzen. Die ersten Schreibversuche waren für die Jugendseite einer Zeitung – Plattenkritiken. Neben der klassischen Musik hatte ich ja noch andere musikalische Interessen, vorzugsweise sehr düstere, destruktive, harte Musik. Dass ich zum ersten Mal etwas Fiktionales geschrieben hatte – ich glaube, das war in einem creative writing-Kurs, aber das habe ich eben als normale Kursübung gesehen. Das mal zum Beruf zu machen, daran hatte ich nicht gedacht. Ich kam dann konkret über meine Arbeit bei Film und Fernsehen zum Schreiben.

Jugendbuch-Couch:
Welche fünf Adjektive dürfen in keiner Beschreibung von dir fehlen?

Zoe Beck:
Oh, mich selbst beschreiben, das kann ich nicht …

Jugendbuch-Couch:
Jemand sagte einmal, dass man das erste Buch, das einen als Kind richtig tief beeindruckt hat, nie vergisst. Welches war denn dein erstes Buch?

Zoe Beck:
Das erste, was mich wirklich beeindruckt hat, waren wahrscheinlich Geschichten von Arthur Conan Doyle und Edgar Alan Poe, und da erinnere ich mich vor allem an die Atmosphäre. An mein erstes Buch kann ich mich nicht erinnern, bei uns gab es immer so viele Bücher, es wurde viel vorgelesen, und da ich früh selbst lesen konnte, las ich eben auch viel. Aber das erste? Nee, keine Ahnung.

Jugendbuch-Couch:
Welches Buch darf deiner Meinung nach in keinem Jugendbuchregal fehlen?

Zoe Beck:
Sich auf ein Buch festzulegen, finde ich jetzt schwierig, es kommen jedes Jahr so viele neue tolle Bücher raus … Grundsätzlich finde ich Bücher wichtig, die sich mit unserer Geschichte auseinandersetzen wie "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" von Judith Kerr, oder die sich mit den großen Bedrohungen auseinandersetzen wie die Geschichten von Gudrun Pausewang. Es muss eine gute Mischung im Regal sein: Bücher über alltägliche Probleme von Kindern und Jugendlichen, Bücher, die die Phantasie anregen und aus dem Alltag rausholen, Zeitreisen, Märchenreisen, alles Mögliche … Lustiges, Nachdenkliches, Philosophisches … Ich finde da Geschichten über Zauberlehrlinge so wichtig wie ein Buch, in dem kindgerecht das Universum erklärt wird. Astrid Lindgren, die Brüder Grimm, Christiane F., Anne Frank, Sue Townsend, Susan Hill, Louis Sachar …
Man kann sich so viel in den Schrank stellen!

Jugendbuch-Couch:
Bist du der Musik heute immer noch genauso verbunden wie der Literatur? Spielst du noch Klavier?

Zoe Beck:
Ich spiele noch - oder wieder - Klavier, aber lange nicht mehr so wie früher. Da war es noch Leistungssport, und eines Tages musste ich damit aufhören, weil es nicht mehr ging. Jetzt ist es Hobby und Spaß. Ich habe mir gerade ein neues Klavier gekauft, was mich sehr glücklich macht.

Jugendbuch-Couch:
Bislang hast du hauptsächlich Thriller für Erwachsene geschrieben. Warum Thriller? Was reizt dich besonders an diesem Genre?

Zoe Beck:
Ich fand die Nacht immer spannender als den Tag, die schwierigen Mädchen interessanter als die Klassenschönheiten, ETA Hoffmann lesenswerter als Goethe (wobei der auch seine Abgründe hat, ohne Frage, aber mal so grundsätzlich) … Da muss was schiefgelaufen sein in meiner Erziehung. :)

Jugendbuch-Couch:
Im März 2012 ist schließlich dein erster Jugendroman erschienen: "Edvard – Mein Leben, meine Geheimnisse". Da sind wir natürlich neugierig und wollen wissen, was dich dazu inspiriert hat, einen Roman für Jugendliche zu schreiben, und dazu noch einen, der die Lachmuskeln reizt?

Zoe Beck:
Ich habe vorher schon weit über hundert Drehbücher für diverse Kinder- und Jugendsitcoms geschrieben, für ZDF und Disney Channel. Von daher ist mir das Schreiben für Jugendliche alles andere als fremd, und Comedy entsprechend auch nicht.

Jugendbuch-Couch:
Im Buch spielt Facebook eine große Rolle. Edvard besitzt einen Facebook-Account, erfindet sogar das Profil eines gewissen Jason, um ein wenig näher an seine Traumfrau Constanze heranzukommen. Augenzwinkernd nimmst du damit die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Facebook aufs Korn. Warum?

Zoe Beck:
Es gehört für viele schon sehr stark zum Alltag, für Erwachsene wie für Kinder und Jugendliche. Die Kommunikation mit Freunden hat sich dadurch ein Stück weit verändert in der Ausdrucksform, allerdings nicht in den Grundzügen: Es geht immer noch nur darum, wer wen mag, wer wie beliebt ist, wer sich wie darstellt. Mittlerweile stellt man sich eben im Internet dar. Da wird gemobbt und geflirtet und getratscht wie auf dem Schulhof.
Dass etwas auf absurde Art eskalieren kann, hat wiederum damit zu tun, dass man via Internet viel mehr Menschen erreicht. Aber der Mechanismus ist derselbe wie in einer Dorfgemeinschaft: Gerüchte werden gestreut, Missverständnisse führen zu Katastrophen …

Jugendbuch-Couch:
Du besitzt ebenfalls ein Facebook-Profil. Nutzt du Facebook regelmäßig? Was würdest du jugendlichen Nutzern im Umgang mit Facebook raten?

Zoe Beck:
Ich benutze es regelmäßig, und ich würde immer dazu raten, sich gut zu überlegen, was man online stellt, was man über sich erzählt, und auch wie man das tut. Was einmal draußen ist, lässt sich schlecht wieder einfangen … Das gilt für jedes Alter. Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Jugendliche sehr viel umsichtiger mit Facebook umgehen als einige Erwachsene. Sie erfinden Namen für sich, verschleiern ihren Wohnort, wissen, wie man bestimmte Infos für manche sperrt … Aber im Internet wie im realen Leben gilt: vorsichtig sein und Grenzen ziehen, wenn einem etwas komisch vorkommt. Ruhig ein bisschen zu misstrauisch sein.

Jugendbuch-Couch:
Schauen wir uns Edvard einmal etwas genauer an. Mit welchen drei Worten würdest du ihn am ehesten beschreiben?
Gab es ein reales Vorbild für ihn? Woher weißt du so gut über die Sorgen und Nöte eines Jugendlichen bescheid? Hast du vielleicht Erlebnisse aus deiner eigenen Jugend verarbeitet?

Zoe Beck:
Es gibt kein reales Vorbild, er setzt sich bestenfalls aus den Charakterzügen einiger Leute zusammen, die ich kenne, plus sicher noch einer wie auch immer gearteten Menge von mir. Edvard ist verunsichert, verzweifelt und empört. Sind das nicht alle in dem Alter? Oder viele? Da passieren Sachen mit dem eigenen Körper, und alle Freunde verändern sich auch in unterschiedlichem Tempo, äußerlich, aber auch in ihrer Art. Die Dinge laufen nicht so, wie man es sich wünscht, und die Eltern sind peinlich. Überhaupt ist die Welt total wahnsinnig, man könnte sich nur aufregen. Ich habe jetzt keine konkreten eigenen Erlebnisse verarbeitet, höchstens noch mal den Gefühlen und Befindlichkeiten der eigenen Pubertät nachgehorcht und allgemeine Erfahrungen aus zwischenmenschlichen Bereichen einfließen lassen.

Jugendbuch-Couch:
Was hat dir beim Schreiben an "Edvard – Mein Leben, meine Geheimnisse" am meisten Spaß gemacht? Und was macht generell am meisten Spaß an deiner Arbeit?

Zoe Beck:
Die Charaktere zu entwickeln, hat großen Spaß gemacht, und sie auf ihre Abenteuerreisen zu schicken. Geschichten ausdenken macht sehr viel Spaß. Das Schreiben ist aber harte Arbeit. Und manchmal macht es nicht immer ganz so viel Spaß, wenn es nicht so gut läuft. Aber grundsätzlich schon der beste Beruf für mich.

Jugendbuch-Couch:
Da du für Jugendliche und Erwachsene schreibst, fragen wir uns natürlich, was man auf jeden Fall beachten sollte, wenn man für eine jüngere Zielgruppe schreibt.
Gibt es bestimmte Regeln, an die man sich halten muss, oder Grenzen, die man keinesfalls überschreiten darf? Was ist der größte Unterschied?

Zoe Beck:
Ich denke da weniger an die Zielgruppe, als an die Geschichte, und dass sie zu der Hauptfigur passt. Ich habe beim Schreiben von "Edvard" nicht darüber nachgedacht, wie möglicherweise Vierzehnjährige auf dieses oder jenes Thema reagieren könnten, sondern mir die Figur vorgestellt und seine Geschichte aufgeschrieben. Letztlich ist da ja immer noch die Instanz Lektorat, die einem auf die Finger haut, wenn man mit etwas vollkommen daneben liegt. Ich kenne das vom Fernsehen: "Unsere Zielgruppe will aber …" und "Das erwarten unsere Zuschauer …", solche Aussagen stimmen und stimmen wieder nicht, was Überraschungserfolge immer wieder mal beweisen.

So ein Buch wie "Edvard" macht offenbar auch vielen Erwachsenen großen Spaß, und kurz nach Erscheinen hatte ich dann doch etwas Bedenken, dass es vielleicht gar kein Jugendbuch im Zielgruppensinn ist, weil eben die meisten Rückmeldungen von Erwachsenen kamen und sagten: "Das ist ja was für mich!" Sicherlich muss darauf geschaut werden, dass man Zielgruppen bedient. Lektorat, Vertrieb, Buchhandel, da schaut ja jeder drauf, die wollen ihre Sachen – unsere Sachen! – schließlich verkaufen. Gleichzeitig: Würde man nur auf die Trends setzen, wäre das auch nicht richtig. Laut Trend hätte ich etwas schreiben müssen wie "Gregs Tagebuch" für Mädchen (weil ja mehr Mädchen lesen) oder irgendwas mit Fantasy …

Jugendbuch-Couch:
Und wie sieht eigentlich dein Arbeitsalltag aus? Du bist nicht nur Autorin, sondern auch Übersetzerin und Redakteurin, erfährt man auf deiner Homepage. Redakteurin? Und wie genau dürfen wir uns die Arbeit als Übersetzerin vorstellen?

Zoe Beck:
Mein Alltag? Langweilig, haha! Ich setze mich an den Schreibtisch und arbeite. Als Redakteurin ist es da auch mal spannender, ich mache Synchronredaktion z.B. für den Disney Channel. Das heißt, ich darf hin und wieder ins Synchronstudio fahren und mit den Regisseuren, Sprechern, Tonmeistern etc. arbeiten. Als Autorin und Übersetzerin bekommt man ja kaum jemanden zu Gesicht. J Aber im Ernst, wenn ich einen Job wollte, bei dem ich täglich Menschen um mich rum habe, dann hätte ich auch so einen Job. Ich mag gerne zu Hause arbeiten und im Internet oder in der Bibliothek herumrecherchieren. Ist mir lieber als feste Bürozeiten. Die genaue Arbeit als Übersetzerin? Ich habe das Originalbuch neben dem Rechner liegen, habe die wichtigsten Onlinewörterbücher offen, habe einen Stapel gedruckter Wörterbücher in Reichweite und lege los.

Jugendbuch-Couch:
Was ist es für ein Gefühl, wenn man in einer Buchhandlung einen Stapel des eigenen Buches liegen sieht? Und verrätst du uns, was der aufregendste Moment bei der Entstehung eines neuen Buches ist?

Zoe Beck:
Wenn das Buch endlich ausliegt, ist das schon ein großartiger Moment, und gleichzeitig stürzt er einen in Depressionen, weil drumherum noch so viele andere großartige Bücher ausliegen. Aufregende Momente gibt es noch so viele – was sagt das Lektorat, wie wird das Cover aussehen, wie sieht das Buch dann in echt aus, wann kommen die ersten Besprechungen usw.

Jugendbuch-Couch:
Auf deiner Homepage findet man die Termine deiner Lesungen. Wie wichtig ist der persönliche Kontakt zu den Lesern? Gibt es vielleicht ein besonderes Erlebnis, das dir immer in – hoffentlich guter – Erinnerung bleiben wird?

Zoe Beck:
Sehr wichtig. Ich liebe auch Lesungen. Ich freue mich, wenn sich die Menschen gut unterhalten fühlen oder wenn sie etwas in den Büchern finden, das sie anspricht oder berührt. Großartig ist es, wenn persönliche Nachrichten kommen, in denen sich Leute danach erkundigen, ob es bestimmten Charakteren denn nun gut geht und wann es wieder etwas über sie zu lesen gibt. Die Vorstellung, dass man eine Welt oder Figuren geschaffen hat, die jemand anderes, den man leider gar nicht kennt, noch mit sich herumträgt, darüber nachdenkt …

Jugendbuch-Couch:
Und abschließend möchten wir natürlich noch wissen, ob du ähnliche Projekte wie "Edvard – Mein Leben, meine Geheimnisse" geplant hast? Und darfst du uns schon erzählen, woran du gerade arbeitest?

Zoe Beck:
Ja, es soll eine Fortsetzung geben. "Edvard" bleibt uns noch erhalten. Das freut mich persönlich sehr! Und im Moment, ganz aktuell, sitze ich an etwas, das noch ein bisschen geheim bleiben muss.

Jugendbuch-Couch:
Liebe Zoe, vielen Dank für das Interview!

  

Corinna Abbassi-Götte, Juli 2012.

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