05.2012 Jan Birck, der bekannte deutsche Illustrator, Trickfilmkünstler und Cartoonist, hat den wohl berühmtesten Schnüffler in Hundegestalt  geschaffen: "Geheimagent Morris". Fast jeder kennt seine "Wilden Fußballkerle", die er gemeinsam mit Joachim Masannek zum Leben erweckte.

Sein Kindheitstraum war es einmal, Zeichner und Schatzsucher zu werden. Den Traum von einer erfolgreichen Karriere als Zeichner hat er sich bereits erfüllt - und was den Schatzsucher angeht, könnte man meinen, dass er sich diesen Traum durch seinen ersten Jugendroman "Moonsurfer - Seven Waves"  zumindest bewahrt hat.

Jugendbuch-Couch:
Lieber Herr Birck, so könnte es doch sein? Denn der versunkene Schatz vor Sharkfin-Island spielt immerhin eine zentrale Rolle.

Jan Birck:
Ich hatte tatsächlich vor sehr, sehr vielen Jahren einem Mädchen versprochen, Schatzsucher zu werden, um sie damals davon zu überzeugen, dass ich durchaus sowas wie einen Business-Plan hatte. Denn von den Zukunftschancen meiner nicht wirklich jugendfreien Cartoons, mit deren Vertrieb ich unter den Schulbänken begonnen hatte, hielt sie nicht besonders viel. Doch Dank meines alternativen Geschäftsmodelles, also der Schatzsuche, willigte das Mädchen ein. Danach begann sie überraschend Betriebswirtschaft zu studieren, während ich erstmal weiter zeichnete, aber bekanntermaßen in ein jugendfreies Sujet wechselte.  Jahre später – versprochen war versprochen – begann ich dann schließlich doch noch mit der Schatzsuche, der ich den Titel "Moonsurfer" gab.

Jugendbuch-Couch:
In dem Piraten-Zeitreise-Abenteuer kommt so ziemlich alles vor, das die Herzen der doch sehr wählerischen männlichen Leserschaft ab 12 Jahren höher schlagen lassen dürfte... oder wie schätzen Sie Ihre Zielgruppe ein?

Jan Birck:
In der Tat muss man einiges reinpacken, wenn man es mit Jungs ab etwa 12 Jahren zu tun hat. Die schwierigste Zielgruppe für einen Jugendbuchautor. Immerhin peilt man ein Publikum an, das Bücher als eine der anstrengendsten Beschäftigungen der Welt betrachtet, vergleichbar nur noch mit Wandern oder Reckturnen. Also habe ich mich für einen Genre-Mix aus Surfen, Zeitreise, Abenteuer und Action entschieden. Dass ich auch noch einen Sohn-Vater Konflikt und ein (erstes) Mädchen hineingeschummelt habe, will ich nicht zu sehr an die große Glocke hängen. Denn gerade bei Jungs ab 12 habe ich es beim Thema Mädchen mit dem sogenannten Boulevard-Zeitungs-Effekt zu tun: keiner interessiert sich dafür, wird aber sehr gut verkauft. 

Jugendbuch-Couch:
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass weniger Jungen regelmäßig lesen - im Gegensatz zu gleichaltrigen Mädchen? Liegt es nur an den Jungs, oder fehlt es vielleicht einfach an entsprechendem Lesestoff ?

Jan Birck:
Soweit ich weiß, wird im Buchhandel tatsächlich nur etwa 20% des Jugendbuchumsatzes mit Büchern für Jungs erzielt. Weshalb? An dieser Stelle hole ich nur zu gerne ein wenig aus. Zunächst liegt es Jungs wohl nicht so, in vergnügt plappernden Gruppen durch eine der großen Buchhandlung in der Stadtmitte streifen, um sich währenddessen eifrig über die zuletzt gelesenen Romane auszutauschen. Doch selbst wenn irgendein Zufall Jungs ab 12 in so eine Buchhandlung stolpern ließe: Sie haben aus meiner Sicht dort unnötige Schwierigkeiten, geeigneten Lesestoff aus den Armeen von Titeln für Mädchen herauszufiltern. Zwei Beispiele: Ich habe in einer großen Filiale in München zusätzlich zum omnipräsenten Angebot an Mädchentiteln auch noch ein besonderes Regal mit der Bezeichnung "Bücher für Mädchen" entdeckt. Ein entsprechendes "Landing-Regal" für Jungs habe ich dagegen nicht gefunden. Fehlanzeige. Ein anderes Beispiel: Eine große norddeutsche Buchhandelskette bringt eine Beilage in die Tageszeitungen, in der eine Doppelseite unter dem Titel "Jugendbücher zu Ostern" enthalten ist. Tatsächlich waren dort aber 12 klare Mädchentitel zu finden und nur ein einziges windiges Buch, das Jungs hätte interessieren können.

Und ich kann die Liste fortsetzen, zum Beispiel mit dieser Beobachtung: Fußballbücher verschwinden im Herbst weitgehend aus den Regalen. Sie werden offensichtlich nicht nachgeordert, vermutlich  da der (Fußball-)Sommer vorüber ist. Erst im Frühjahr, wenn man wieder rausgehen und Fußballspielen kann, oder wenn die nächste EM oder WM ansteht, tauchen sie wieder auf. Klingt logisch, ist es aber nicht. Denn das ist es ja gerade: Im Sommer ist das Zielpublikum draußen auf den Bolzplätzen und lebt das Fußballspielen. Erst im Winter hat es dann die Zeit, davon zu träumen...und zu lesen! Also?

Und letztlich stellt sich bei mir dann noch der Verdacht ein, dass es allein den Autoren überlassen wird, Jungs zum Buch zu bringen: Liefert uns gefälligst Bücher, die sich verkaufen lassen! Das tun wir, aber wir brauchen Unterstützung dabei, Jungs zum Lesen zu verführen. Wir und unser Publikum brauchen einfach mehr Raum und Zeit, um uns finden zu können. Wenn aber ein spannendes Buch für Jungs nicht in kürzester Zeit entdeckt wird und sich einigermaßen verkauft, verschwindet der Titel schnell wieder aus den Regalen. Nur beim großen Online-Händler hat es dann noch eine faire Chance, gleichermaßen präsent zu bleiben. Woran liegt also, dass Jungs weniger regelmäßig lesen? 

Jugendbuch-Couch:
Was brauchen Jungen ab 12? Wie muss der Lesestoff Ihrer Meinung nach beschaffen sein, dass ein Junge das Buch nicht nur weiter, sondern auch zu Ende lesen möchte?

Jan Birck:
Ein Jungenbuch muss einfach besonders interessant und spannend sein. Oder witzig. Jungs verspüren nach meiner Beobachtung in einem bestimmten Alter einen ganz besonderen Drang dazu, besonders ihre rein körperlichen Grenzen auszuloten. Und wer nicht rausgeht, um sich z.B. beim  hoffentlich sportlichen Wettkampf mit Altersgenossen vergleicht, tut dies dann online oder mithilfe sonstiger interaktiver Angebote. Das ist dann schnelle und einfach zu konsumierende Action für den Kopf, die heutzutage im Übermaß greifbar ist. Ergänzt noch von der Action-Flut im Kino, auf youtube, in Reality-Formaten oder in ruckzuck aufs Smartphone ladbare Games.

Also muss ich als Autor Inhalte finden, die es den Jungs wert sind, zwischendurch auf all diese Angebote zu verzichten. Ich für meinen Teil versuche sie schon auf den ersten Seiten vergessen zu lassen, dass sie gerade etwas tun, das sie womöglich für völlig unmöglich gehalten hatten: Sie lesen.

Jugendbuch-Couch:
Eine neue Studie aus Texas besagt, dass Elf- bis Fünfzehnjährige, die normalerweise keine Bücher lesen, durch E-Books mehr Lust auf das Lesen bekommen. Können Sie das auch bestätigen? Wie setzen Sie die neuen Medien ein, um Ihre Zielgruppe zu interessieren?

Jan Birck:
Kann ich mir vorstellen. Denn wer - wie meine Söhne - mit dem Bildschirm in der Tasche aufwächst, muss nicht erst dorthin wechseln, so wie meine Generation. Wenn, wie auf einem E-Book oder einer ähnlichen tragbaren Plattform, Lesestoff nahezu  jederzeit greifbar ist, wird dieser möglicherweise auch öfter und leichter konsumiert. Insofern bin ich natürlich sehr froh, dass Moonsurfer auch als E-Book verfügbar ist. Darüber hinaus gibt es eine umfangreiche Website, die ich nach und nach immer weiter mit Hintergrund-Informationen füttere. Skizzen, Zeichnungen, farbige zusätzliche Illustrationen, aber auch Fotos von den Originalschauplätzen des Abenteuers.

Doch das wichtigste "Bonusmaterial" ist mir derzeit mein "Moonsurfer Comic Projekt": Auf der Website entsteht nach und nach der Comic zum Buch. Ich poste die Fortsetzung immer dann, wenn ein, zwei oder drei weitere Seiten fertig sind. Kann man natürlich auch auf dem Smartphone neben dem haptischen Buch genießen. Außerdem ist eine passende App in Planung: mit dieser soll der Leser in der Lage sein, über das einfache Fotografieren der schwarz-weiß Illustrationen im Buch jeweilige Zusatzinformationen aus meinem Atelier und meinem Fundus zu erhalten. Inklusive natürlich auch der passenden Seite aus dem Comic. Das würde das klassische Buch zur Grundlage für regelmäßige Updates durch den Autor machen, jahrelang ausbaubar, und zwar nachdem das Buch längst erschienen ist. Und natürlich ist Moonsurfer seit Kurzem auch auf Facebook zu finden.

Jugendbuch-Couch:
Sie haben den Nordatlantik auf einem alten Zweimaster besegelt und waren im Mittelmeer und in der Karibik unterwegs – das lässt  vermuten, dass Sie durch Ihre Reisen inspiriert wurden zu "Moonsurfer-Seven Waves" und seine Abenteuer auf "Sharkfin-Island"...

Jan Birck:
So ist es. Wie ich ja bereist erwähnt habe, hatte ich meiner Frau einst versprochen, neben dem Beruf des Zeichners sicherheitshalber auch noch Schatzsucher zu werden. Dazu brauchte es also einige Vorbereitung. Eine Ausbildung auf hoher See sozusagen. Robert Louis Stevensons  theoretische Beschreibungen dieses Berufes waren da nicht ausreichend. Also heuerte ich immer mal wieder an.

Zunächst Mittelmeer, dann Nordatlantik und schließlich Karibik.

Jugendbuch-Couch:
Man merkt, dass Sie viel seemännische Erfahrung bei dem Besegeln der Meere gesammelt haben. Viele Details zur Navigation, zum Wetter und zum Aufbau eines Schiffes/Bootes finden sich in "Moonsurfer-Seven Waves". Was fasziniert Sie an dieser Art die Meere zu befahren?

Jan Birck:
Die Faszination beginnt ehrlich gesagt erst nach dem Überwinden der Seekrankheit. Bis dahin denkt man eher an Selbstmord. Aber wenn man diese Phase schließlich überlebt hat, beginnt die Faszination so richtig. Denn dann hat man kapiert, dass man sich mit dem eigenen, mitgebrachten Rhythmus nicht gegen den Rhythmus der Natur stemmen kann. Gelingt mir übrigens bisher nur in Gegenwart des Meeres. Um diese Erfahrung auch in den Alltag zu integrieren, da  muss ich noch verdammt hart an mir arbeiten.

Jugendbuch-Couch:
Ist dieser Detailreichtum über die Technik und die Zusammenhänge beim Segeln gerade für Jungs interessant?

Jan Birck:
Also was den Detailreichtum zum Thema Segeln in einem Jugendbuch betrifft: da ginge noch wesentlich mehr, als ich in Moonsurfer zugelassen habe. Ich glaube natürlich, dass eine gewisse Dichte an authentischen Details notwenig ist, um eine erlebbare Bühne zu erschaffen. Man kann als Leser den knarzenden Rumpf eines alten Seglers nur dann spüren, wenn "der Bug durch die See pflügt, während jede Schot zum Zerreißen gespannt ist und eine achterliche Böh die Leinwand des Großmarssegels aufbläht" und nicht, wenn "die Spitze des Schiffes durch das Wasser fährt und der Wind von hinten in das große Segel oben am längsten der drei Masten bläst". Es ist also unerheblich, ob man als Leser sämtliche Fachbegriffe versteht oder nicht, sie sind schlicht notwendig, um eine bestimmte Welt lebendig zu machen. Andererseits  darf aber auch nicht ein Übermaß an fachlichen Details auf Kosten der Story eingebaut werden. Es geht ja um das Abenteuer und nicht darum, ein Handbuch zum Hochseesegeln oder Surfen zu verfassen.

Jugendbuch-Couch:
Sie haben längere Zeit in Ihrem Strandhaus verbracht, das auf einer Insel vor der Westküste Floridas liegt. Das klingt traumhaft. Ist "Moonsurfer-Seven Waves" genau dort entstanden?

Jan Birck:
Zu dem eigenen Haus auf einer Insel vor der Westküste Floridas kam es übrigens, nachdem unser erster Sohn geboren war. Unser Leben musste ein wenig berechenbarer gestaltet werden und für einen Bausparvertrag im Herzen Europas war ich noch nicht reif. Dort auf der Insel brütete ich dann natürlich immer mal wieder über das alte Versprechen nach. Also das mit der Schatzsuche. Doch meine Illustratorenarbeit hielt mich nicht nur davon ab, sondern auch viel zu oft vom Strand und dem Meer, das nur einen Steinwurf entfernt seine Brandung an die Insel spülte. Doch für die Materialsammlung, die dann schließlich zu all den Details in Moonsurfer führte, blieb natürlich noch ausreichend Zeit!

Jugendbuch-Couch:
Haben Sie hier auch das Surfen gelernt?

Jan Birck:
Nein. Als ich in dem Alter war, in dem man heute gerne mit dem Surfen beginnt, gab es übrigens auch noch keine Surfspots auf dem Eisbach in München. Denn dort beginnt heute für viele Landratten der Einstieg in eine Welle. Wir surften damals mit Segel, ich meine Windsurfen. Starnberger See, oder mit dem alten orangefarbenen Passat nach Süden: Gardasee. Das notwendige Gleichgewichtsgefühl dafür hatten wir uns übrigens auf selbstgebauten Skateboards geholt. Rollschuhrollen, die wir unter eine Zaunlatte geschraubt hatten.

Also lange vor der Geburt irgendeiner Skater-Szene.  Danach kam - wie gesagt - das Segeln und erst jetzt, nachdem ich mit meinen Söhnen in Florida auf Bodyboards unterwegs war und mein älterer Sohn ein begeisteter River- und Atlantik-Surfer wurde, will ich einen Neustart wagen. Nicht zuletzt auch wegen Moonsurfer. Man muss zwar kein Serienkiller sein, um einen Thriller zu verfassen, aber man kann auch nicht übers Surfen schreiben ohne selbst davon magisch angezogen zu werden.

Jugendbuch-Couch:
Key West befindet sich direkt in der atlantischen Hurrikanzone – haben Sie selbst auch schon einen Hurrikan erlebt?

Jan Birck:
Wir haben den Tornado überlebt, der im Frühjahr '98 durch Kissimmee, einem Vorort von Orlando, jagte, wo wir uns in einem Häuserblock nicht weit entfernt von der Schneise aufhielten, den der Wirbelsturm schlug. Dazu muss man sagen: In Florida bestehen die meisten Häuser aus windigen Spanplatten, auch die Wohnblocks. Seitdem setzen wir uns bei einer sogenannten Tornado-Warning gerne auch mal in der Garage ins Auto und lesen ein gutes Buch. Keine Ahnung, ob das was helfen würde.

Hurrikans dagegen sind berechenbar. Die Verwüstung ist breiter, aber es bleibt Zeit sich einzuigeln oder zu flüchten. Davon abgesehen jagen aber in der gesamten Hurricane-Season in Florida regelmäßig Gewitter – und Sturmfronten über die Inseln, die einen durchaus aus den Badelatschen heben können. Wussten Sie, dass in Florida wesentlich mehr Menschen durch Blitze zu Schaden kommen, als etwa durch Hai-Attacken?

Jugendbuch-Couch:
Nein, aber beim Anblick einer Haifischflosse vielleicht ein beruhigender Aspekt…
Apropos: Gibt es die Insel "Sharkfin-Island" tatsächlich?

Jan Birck:
Ja. Sie trägt jedoch einen anderen Namen. Ich wollte damit zum einen verdeutlichen, dass es sich bei Moonsurfer letztlich natürlich um eine rein fantastische Geschichte handelt und andererseits nicht zu sehr auf "meine" Insel hinweisen. Nicht dass dort in Bälde eine Meute von Schatzsuchern auftaucht. Aber wer genau liest und sich die Karte im Buch ansieht, findet den wahren Namen der Insel schnell heraus. Es gab dort sogar die alte Hazienda, in der - im Buch – der alte Grumble haust. Die verfallene und vom Dschungel überwucherte  Hazienda, die tatsächlich urplötzlich verschwunden war....

Jugendbuch-Couch:
Haben Sie historische Fakten zum Jahr 1693 recherchiert? Gab es das Piratennest auf Captiva-Island wirklich?

Jan Birck:
Auch das gab es, allerdings erst etwas später, also noch nicht im Jahr 1693. Die Insel war der Legende nach Ende des 18ten Jahrhunderts der Schlupfwinkel eines Admiral Gaspar, einem Piraten der angeblich über 400 Schiffe versenkte und auf seiner Gefangeneninsel, "His CaptiveŽs Island", insbesondere schöne Frauen in Ketten legte. Ein Chauvi alten Schlages also, der wohl auch einen immensen Schatz anhäufte, der bis heute unentdeckt geblieben ist. Am Ende seiner Karriere legte er sich nach einer verlorenen Seeschlacht eine Ankerkette um den Hals und sprang ins Meer. Und heute erlaube ich mir, seinen Namen für die Figur des Gouverneur Gaspar zu leihen. Dies ist also eine der historischen Freiheiten, die ich mir genommen habe. Insofern – und da es meines Wissens nach keine  Zeitreisen gibt - ist die Trilogie  nur zum Teil eine reine Phantasy-Saga. Alle allgemeinen Daten und Fakten aus der Zeit, in der Steven Waves landet, sind recherchiert und weitgehend historisch korrekt: Die  friedfertigeren Timucua- Indianer oder wie sich Shark als Tochter des Panther Clans höchstwahrscheinlich kleidete sowie die verfeindeten Stämme der Caloosa weiter unten im Süden, die bis heute als Kopfjäger bekannt sind. Und natürlich auch das Erdbeben von Jamaica 1692, das das alte Port-Royal ausgelöscht hatte, genauso wie die Routen des Sklavenhandels über die Westküste Afrikas bis in die Karibik. Dazu gehört sogar der Umstand, dass vereinzelte Sklaven fliehen konnten und dann bei Indianerstämmen lebten. Aber ich will nicht zuviel aus dem zweiten Band verraten...

Jugendbuch-Couch:
Wie war die Arbeit an dem Buch – bedeutete es für Sie eine Umstellung, für Jugendliche zu schreiben?

Jan Birck:
Ich habe vier Jahre an den drei Plots für alle drei Bände gearbeitet, was zwei entscheidende Gründe hat: Zum einen hat man es bei Zeitreisen auch immer mit sogenannten Zeitparadoxa zu tun. Daraus ergibt sich ein ständiges Überdenken und Überarbeiten der Vorgänge im Zusammenhang mir deren Wirkung auf Gegenwart und Vergangenheit. Jede noch so kleine Änderung an der Geschichte in der Vergangenheit kann zu Auswirkungen in der Gegenwart führen. Also: jeder noch so kleine Denkfehler im ersten Buch beeinflusst die Geschichte des zweiten oder dritten Bandes. Das Ganze muss also ziemlich gut vorbereitet sein, ein schnelles Drauflosschreiben ist nicht möglich.

Der andere Grund: Ich musste mich tatsächlich umstellen, um vom Kinderbuch zum Jugendbuch zu wechseln. Ich musste einen eigenen Schreibstil finden, wollte nicht einfach kopieren und wollte – was typisch für mich ist - dabei auch gleich etwas vielleicht völlig Neues ausprobieren. So kam es schließlich zu vielen verworfenen Anfängen, etlichen Überarbeitungen und auch zu der Idee, einen drehbuchartigen Stil einzusetzen.

Womit wir übrigens nochmals bei der Frage angelangt wären, wie man Jungs zum Lesen bringen könnte: kürzere Kapitel, schnellere Schnitte, Kamerafahrten statt mühselige Übergänge. Das Ganze unter beschreibenden Überschriften, die Position, Zeit und die Lage, in der sich die Protagonisten befinden, auf den Punkt bringen.

Jugendbuch-Couch:
Im Verlauf der Geschichte nimmt die Spannung – aber auch die ziemlich makabren Details, die sich zwischen den Helden und den ruchlosen Piraten abspielen, zu. Zum Einen wirkt es dem damaligen Leben nachempfunden, andererseits driften gerade Akte der Gewalt mehr und mehr in den schwarzen Humor ab, der natürlich nur dann zum Tragen kommt, wenn ein "Bösewicht" dran glauben muss. Ist das ein bewusst gewähltes Mittel?

Jan Birck:
Ich wollte die Zeit in der Steven Waves landet nicht einfach nur als Kostümschinken  a la Piraten der Karibik antreten lassen. Das wäre ja nur der Versuch einer Kopie gewesen, um auch noch irgendwas zum aktuellen Trend abzuliefern. Es wäre davon abgesehen zum Scheitern verurteilt gewesen. Deshalb musste der Geruch der Realität des siebzehnten Jahrhunderts hinein: Schmutz, Blut und Brutalität. Zudem finde ich es gerade vor dem Hintergrund der wahren Schwemme an reinen Phantasy-Stoffen inzwischen viel interessanter, sich vorzustellen, wie eine andere uns fremde Welt tatsächlich gewesen sein könnte. Das Ergebnis könnte man vielleicht einen historischen Roman für Jugendliche nennen: ein gewisser Grad an düsterer Realität, verdaulich gemacht mit einer Prise Humor und der Überzeichnung des Bösen. Das Böse, das ohne Karikatur vielleicht dann doch zu schwere Kost geworden wäre.

Jugendbuch-Couch:
Wie würden Sie Ihren Helden, den 15-jährigen Steven Waves beschreiben?

Jan Birck:
Steven träumt in seinen Surfshorts aus dem Markenladen mehr vom Surfen, als dass er zu dieser Welt dazugehört. Die Eltern sind geschieden und er verkriecht sich in die Realität, die ihm seine Playstation bietet. Er leidet unter einem Vater, der sich verdrückt hat und zudem keine großen Stücke auf seinen Sohn zählt. Er ist weder besonders mutig, allenfalls neugierig. Aber er versucht anständig zu handeln und trägt eine gewisse Ehre und Selbstachtung in seiner Seele. So ausgestattet, stolpert er eigentlich mehr oder weniger in das größte Abenteuer seines Lebens. Ein Abenteuer, in dem er seine eigene Persönlichkeit erst noch kennenlernen muss, während Shark, die Tochter einer Sklavin, aufgewachsen unter Indianern, bereits wesentlich reifer und weiter ist. Reifer sogar, als der selbstsichere und überhebliche Snake, der sich genauso wie Steven für das Mädchen interessiert und nicht zuletzt deshalb zu seinem Feind werden könnte. Möglicherweise können sich ziemlich viele junge Leser mit so einem Helden ganz gut identifizieren. Und nicht wenige junge Leserinnen mit so einer Heldin!

Vieles davon ist sogar ein wenig aus der Gefühlswelt meiner eigenen Jugend gegriffen, anderes nicht. Doch abgesehen davon bin ich noch immer ein ziemlicher Kindskopf und meine mich entsprechend leicht in einen Steven hineinversetzen zu können. Und ich habe ja auch noch meine Söhne, die dabei ordentlich mithelfen.

Jugendbuch-Couch:
Aufgrund dieser bereits sehr filmisch wirkenden Erzählweise kann ich mir das Buch sehr gut als Film vorstellen. Stellen Sie sich den Film eher mit realen Schauspielern vor oder wäre Ihnen ein animierter Film ganz nach Ihrem Geschmack?

Jan Birck:
Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Ich denke offensichtlich als Illustrator eher filmisch und schreibe deshalb wohl auch als Autor so. Sogar zu "Geheimagent Morris" kam ja von Außen des Öfteren die Feststellung, dass die Geschichten sehr filmisch erzählt seien. Wie auch immer: Ich glaube, ich neige hier – obwohl auch aus dem Animationsfilm kommend - zu einem Realfilm. Ein im Rechner generierter Film müsste schon sehr realistische Figuren liefern, damit das Ganze auch seine historisch korrekte Wirkung entfaltet. Und nach meinem Dafürhalten ist die Entwicklung da noch nicht soweit – trotz Avatar, Tim und Struppi und anderen Beispielen.

Jugendbuch-Couch:
Die Covergestaltung und die ausdrucksvollen, kleinen schwarz-weiß Zeichnungen stammen natürlich von Ihnen und unterscheiden sich sehr von dem humorvollen Illustrationsstil, mit dem man Sie zunächst in Verbindung bringen würde. Werden Sie nun mehr in dieser Richtung zeichnen?

Jan Birck:
Nicht grundsätzlich. Doch hier war einfach ein Stil angesagt, der den realistischen Elementen in der Geschichte gerecht wird. Davon abgesehen macht es mir Spaß zu zeigen, dass ich auch anders kann. Und letztlich habe ich wiederum mein Wunschpublikum im Auge. Und das möchte sich von Allem verabschieden, was vor dem 11ten oder 12ten Geburtstag liegt: das vermeintlich Kindliche. Dazu hätte ich sogar ganz auf Illustrationen verzichten können, was mir natürlich dann persönlich gefehlt hätte. Andererseits könnte das Buch vielleicht eines Tages eines der am aufwändigsten illustrierten Jugendbücher werden: dann wenn die Comic-App  dazu fertig ist.

Jugendbuch-Couch:
"Moonsufer-Seven Waves" ist der erste Band einer geplanten Reihe. Wie viele Bände wird es geben? Und für alle Ungeduldigen: Wann wird der nächste Band erscheinen?

Jan Birck:
Moonsurfer ist wie schon erwähnt als Trilogie angelegt. Natürlich wärŽs auch als einzelner Siebenhundertfünfundneunzigseiter gegangen. Aber ich möchte ja Jungs zum Lesen verführen, also habe ich die Geschichte in drei leichter verdauliche Teile unterteilt. Das zweite Buch ist dann für das Frühjahr 2013 geplant. Aber vielleicht lasse ich ja bis dahin schon mal auf der Moonsurfer-Website einen Teil der Katze aus dem Sack. Oder schaffe Band 2 und 3 gleichzeitig. Denn es könnte bestenfalls genauso sein: Band zwei und drei können, dank der denkbaren Parallelwelten, bei Zeitreisen eigentlich auch gleichzeitig gelesen werden....

Jugendbuch-Couch:
Wird dabei "Moonsufer", das magische Board in den weiteren Bänden die Hauptrolle spielen oder weiterhin Steven Waves?Können Sie uns schon ein wenig darüber verraten, wohin die nächste Reise mit "Moonsurfer" geht?

Jan Birck:
Nur soviel: natürlich wird Moonsurfer weiterhin sozusagen das Medium sein, mit dessen Hilfe Steven in die jeweils andere Welt eintauchen kann. Aber wir werden auch Snake sehr viel genauer kennenlernen. Und dann auch Shark.  Denn Steven hat ja noch immer einen unheimlichen Auftrag zu erledigen: "Rette Shark und töte Snake!"

Dabei wird der Leser einen weiteren, für ein Buch ungewöhnlichen Blickwinkel in das Jahr 1692 erfahren können, in dem Snake einen düsteren Plan verfolgt: der Leser wird nicht nur in Liverpool des 17ten Jahrhunderts ankommen, er wird nicht nur gemeinsam mit Snake auf dem Deck eines Sklavenschiffes landen, sondern gleichzeitig an Deck des Schatzsuchers zusammen mit Steven`s Vater die Daten der Unterwasserkamera auswerten, die Steven in der Vergangenheit verlieren wird... oder besser: 300 Jahre zuvor verloren hat. Der Leser oder die Leserin wird also wie in einer Reality-TV-Sendug dabei zusehen, wie Steven ahnungslos zurück in die Fänge von Snake stolpert....

Jugendbuch-Couch:
Welche Autoren haben Sie als Kind beeinflusst? Welche Bücher haben Sie besonders geliebt -  können Sie sich noch erinnern? 

Jan Birck:
Wie schon erwähnt: Robert Luis Stevensons Schatzinsel. Daneben sämtliche Geschichten, die ich über Nordamerika zur Zeit der Entdecker, der Besiedlung und des Untergangs der Indianischen Völker bekommen könnte. Ich habe diese Bücher teilweise noch heute. Dazu gehören sogar etliche sogenannte Westerns, die im Goldmann oder Bastei-Lübbe Krimiformat erschienen. Interessant, nicht war: Moonsurfer ist nun bei Baumhaus aus der Bastei-Lübbe Gruppe erschienen. Aber auch dieses Buch ist mir in sehr lebendiger Erinnerung geblieben, da es mich stark beeindruckt hatte: "Die Höhlenkinder". Eine gewisse Affinität zum Ursprünglichen ist also durchaus schon früh erkennbar gewesen.

Apropos Western: Vielleicht schreibe ich ja nach Moonsurfer ein Jugendbuch über einen der schillernsten und zugleich brutalsten und tragischsten Jugendlichen, der je existierte: Billy the Kid. Die Rückkehr des Westerns? Als Jugendbuch? Könnte ich interessant finden. Wäre nach all den Piraten-, Vampiren- und Weltuntergangs-Szenarien dann mal wieder was Neues...

Jugendbuch-Couch:
Ja, in der Tat!
Sie leben  mit Ihrer Familie wieder in München – wann wird es Sie wieder zu den "Keys" ziehen?

Jan Birck:
Gerne einmal im Jahr. Aber die Bayerische Ferienordnung hält meine Frau und mich für unmündig, wenn es um die Entscheidung geht, wann wir gemeinsam mit unseren Kindern nach Florida reisen dürfen. Aus diesem Grund wissen die  Fluggesellschaften genau, wann sie ihre Preise zu verdreifachen haben. Ergibt bei vier Familienmitgliedern ein Vermögen. Und die vorgeschriebenen sechs Wochen Sommerferien, die sich dafür am besten eignen, fallen genau in die heiße und gefährliche Hurricane-Season. Eine unbequeme Zeit also, um die Flug-Tickets durch Schatzsuche zu refinanzieren...

Jugendbuch-Couch:
Das könnte in der Tat schwierig werden... ich wünsche Ihnen auf jeden Fall alles Gute, viel Erfolg und eine baldige Rückkehr in die "Keys", damit es für "Moonsurfer" und Ihre weiteren Projekte genauso weiter geht.
Ich bedanke mich ganz herzlich für das Interview!

  

Stefanie Eckmann-Schmechta, Mai 2012.

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